Ausstellung

Rendezvous mit dem Garten der Lüste

Ein Gemälde aus der Nachfolge Hieronymus Boschs

Als Vorausblick auf die kommende Ausstellung Garten der irdischen Freuden (26. Juli bis 1. Dezember 2019) ist das Gemälde Garten der Lüste aus der Nachfolge Hieronymus Boschs bereits vor der Ausstellungseröffnung an den Wochenenden im Zeitraum vom 27. April bis 19. Mai 2019 im Gropius Bau zu sehen.

Nach Hieronymus Bosch

Nach Hieronymus Bosch. Der Garten der Lüste (Mitteltafel), um 1535-1550. Öl auf Holz, auf Leinwand übertragen, 182 x 168 cm

Privatsammlung

Vergangene Termine

Das Triptychon Garten der Lüste von Hieronymus Bosch ist eins der zentralen Werke in der europäischen Kunstgeschichte. Bis heute entfalten sich Diskussionen um das Gemälde und seine freie und aufregende Komposition. Im Gropius Bau ist eine in der Nachfolge Boschs entstandene Version der Mitteltafel aus dem 16. Jahrhundert zu sehen. Mit ihren dem Original fast entsprechenden Maßen und der großen ikonografischen Detailtreue ist anzunehmen, dass sie direkt vor Boschs Triptychon gemalt wurde, das sich heute im Prado in Madrid befindet.

Das Gemälde zeigt eine weite und fantastische Landschaft. In ihr tummeln sich fliegende Fische, mit Früchten verwachsene und sich in Muscheln vergnügende Menschen, übergroße Vögel, die die Nackten füttern. Männer, die auf Dromedaren, Hirschen und Schweinen lustvoll um ein Becken mit Badenden traben. Im Hintergrund erheben sich fantastische Architekturen neben einem zentralen Brunnen, irgendwo zwischen Edelstein und Meteorit. Farben und Darstellung sprechen alle Sinne an: Berührungen und Düfte vermitteln sich ebenso wie die sich vermischende Geräuschkulisse von Natur, Mensch und Tier. Je näher man hinsieht, desto absurder wirken die schillernden Darstellungen: Man entdeckt Menschen, die aus einem Gewässer heraus wie Eigelb in eine zerbrochene Schale zurückdrängen. Im Vordergrund pflückt ein Mensch Blumen, die aus dem ausgestreckten Gesäß einer anderen Figur wachsen.

Es gibt viel zu sehen im Garten der Lüste – aber was sehen wir hier eigentlich? Viel von dem, was in diesem Garten passiert, scheint einen paradiesischen Zustand aufzurufen. Die Figuren sind frei, ihren Lüsten nachzugehen: ein gemeinsamer Ritt auf einer rosa Kuh, eine menschengroße Erdbeere umarmen. Neben kunstgeschichtlichen Interpretationen, die in diesen Ausschweifungen Laster und Sünde erkannt haben, ist das Gemälde als eine Vision eines Paradieszustandes auf Erden gelesen worden, als Darstellung des Garten Eden mit einer Menschheit vor dem Sündenfall oder als Jenseits, das für die glücklichen Seelen eine große Spielwiese ist. Mit dieser Vielschichtigkeit gibt das Gemälde auch Raum, über Gesellschaft nachzudenken – denn wie und wo man sich über die Jahrhunderte hinweg das Paradies vorstellte erzählt viel.

Dem Kunsthistoriker Hans Belting nach ist dieses Paradies eine virtuelle Welt, in der Sexualität keine Sünde bedeutet und die so die biblische Erzählung vom Garten Eden in eine neue Perspektive rückt. Die überworfenen Maßstäbe von Schuld und Sühne, das Zusammenkommen von Mensch und Tier zeigen eine Gegenwelt zur Wirklichkeit, die vermeintliche Gegensätze auflöst und in den gezeigten Tanz miteinschließt. In diesem Ausstellungsraum wird das Gemälde ganz für sich gezeigt und lädt Sie dazu ein, in seine Bildwelt einzutauchen und die Facetten dieses faszinierenden Gartens zu entdecken. Das Gemälde wird im Sommer Ausgangspunkt der Ausstellung Garten der irdischen Freuden im Gropius Bau, in der Künstler*innen das Motiv des Gartens als eine Metapher für den Zustand der Welt und als poetische Ausdrucksform interpretieren, um die komplexen Zusammenhänge unserer zunehmend prekären Gegenwart zu erforschen.