Jazzfest Berlin – Cairo – Johannesburg – São Paulo
Terrible Sounds // Dave Douglas // Metá Metá // Nduduzo Makhathini
Im Eingangsbereich der Betonhalle präsentiert Philip Rizk mit der Videoinstallation „Terrible Sounds“ eine audiovisuelle Meditation über Ägyptens bewegte (neo-)koloniale Geschichte. Dave Douglas stellt seine neue, von der Malerei Jan van Eycks inspirierte Auftragskomposition „Secular Psalms“ vor, während Metá Metá aus São Paulo Post-Punk-Energie auf eine wilde Mischung aus regionalen Einflüssen treffen lässt. Der südafrikanische Pianist Nduduzo Makhathini beschließt das Festival mit introspektiven Tönen.

Terrible Sounds // Méta Méta // Dave Douglas // Nduduzo Makhatini
© Philip Rizk / Fernando Eduardo / John Abbott / Promo
Vergangene Termine
Videoinstallation im Eingangsbereich der Betonhalle
Terrible Sounds – A Triptych
Der deutsche Schlagzeuger, Journalist, Komponist und Filmemacher Hartmut Geerken, der im Laufe der Jahre mit Sun Ra, John Tchicai und dem Art Ensemble of Chicago zusammengearbeitet hat, verliebte sich bereits in die Klänge von Sun Ra, als er 1967 einen Job beim Goethe-Institut in Kairo annahm, bei dem er Salah Ragab kennenlernte und sich mit ihm anfreundete. Ragab war Armeegeneral und Schlagzeuger und leitete die Militärkapelle des Landes. Zusammen gründeten sie die erste Jazzband Ägyptens, die Cairo Jazz Band, sowie das Cairo Free Jazz Ensemble. Darüber hinaus zählt zu ihren gemeinsamen Arbeiten eine improvisierte Aufnahme aus dem Jahr 1971 mit weiteren Musikern, die erst vier Jahrzehnte später unter dem Titel „Muharram 1392“ – dem islamischen Datum der Originalaufnahme – veröffentlicht wurde. Der Filmemacher Philip Rizk hat gemeinsam mit der Musikerin Nadah El Shazly eine Gruppe experimenteller Musiker*innen aus der Region zusammengestellt, um die Aufnahme in neuen Improvisationen zu reflektieren – unter ihnen der ägyptische Multiinstrumentalist Maurice Louca, der beim diesjährigen Festival sein Projekt Elephantine vorstellt und als Co-Kurator des Kairo-Fokus in Erscheinung tritt. Durch einen Auftrag des Jazzfest Berlin hat das Projekt eine neue Eigendynamik entwickelt: Rizk hat eine vielschichtige filmische Meditation über das Fortleben des Kolonialismus in einer Ära des Neokolonialismus geschaffen, in der er sich mit den Ereignissen rund um die Öffnung des Grabes von Tutanchamun im Jahr 1922 befasst, und die neuen Sessions mit anderen Soundscapes zu einem kaleidoskopischen audiovisuellen Erlebnis arrangiert.
Philip Rizk Konzept & Video
Nadah El Shazly Musikalische Leitung & Bearbeitung, Gesang, Tasteninstrumente
Hartmut Geerken Stahlzungentrommel, Mizmar, Bandura, Flöte, Arghul, Angklung
Maurice Louca Tasteninstrumente
Ayman Asfour Violine
Sharif Sehnaoui Gitarre, Saz
Im Auftrag von Berliner Festspiele / Jazzfest Berlin und Sharjah Art Foundation mit Unterstüztung von Mophradat
Diese Installation ist Teil von Jazzfest Berlin – Cairo
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Livekonzert in Berlin / ca. 70 min
Dave Douglas: „Secular Psalms“
Der Trompeter Dave Douglas – einer der ausdrucksstärksten und vielseitigsten Bläser der letzten drei Dekaden – hat sich beim Erschließen neuer musikalischer Horizonte immer schon von seiner Neugier leiten lassen. Ursprünglich wollte Douglas sein neues Ensemble auf dem letztjährigen Jazzfest vorstellen, was durch die Pandemie verhindert wurde. Nun erfolgt die verspätete Premiere des Werks, welches von dem flämischen Maler Jan Van Eyck inspiriert ist, insbesondere von seinem aus mehreren Tafeln bestehenden Meisterwerk „Die Anbetung des Lamm Gottes“ (oder „Genter Altar“) aus dem Jahr 1432. Der Trompeter bezog aus der dunklen Außenseite des Altars dabei ebenso Inspiration wie aus dem grüneren, bevölkerten Innenleben, das nur im geöffneten Zustand zu sehen ist. Zudem fand Douglas musikalische Anregungen bei dem franko-flämischen Renaissancekomponisten Guillaume Dufay. Mitglieder seines vielversprechenden Kammer-Jazz-Ensembles sind die Cellistin Tomeka Reid aus Chicago, die polnische Keyboarderin Marta Warelis und die belgischen Musiker*innen Belinde Deman (Tuba), Frederik Leroux (Gitarre, Oud, Banjo) und der Schlagzeuger Antoine Pierre. Sie alle singen neben Lyrics des Bandleaders auch Texte der französischen Hofdichterin Christine de Pizan und unterstreichen damit die bereits im Bandnamen angelegte Dichotomie zwischen dem Heiligen und dem Profanen.
Dave Douglas Trompete, Gesang, Komposition
Tomeka Reid Cello, Gesang
Marta Warelis Klavier, Kofferorgel, Gesang
Berlinde Deman Tuba, Serpent, Gesang
Frederik Leroux Gitarren, Oud, Banjo, Gesang
Antoine Pierre Schlagzeug, Elektronik
Co-commissioned by Berliner Festspiele / Jazzfest Berlin, November Music, Kaap and Concertgebouw Brugge, and Handelsbeurs
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Videoarbeit aus São Paulo / ca. 10 min
Metá Metá: „Ogbe Oyeku Iwori Odi“
In den Jahren seit ihrer Gründung 2008 haben sich die Mitglieder dieses ästhetisch unersättlichen Trios aus São Paulo zu wichtigen Figuren in der brasilianischen Musiklandschaft entwickelt. Von Anfang an zeigten Sängerin Juçara Marçal, Gitarrist Kiko Dinucci und Saxofonist Thiago França eine tiefe Neugier und stilistische Gewandtheit, die weit über den Sound ihrer polyglotten Heimat hinausgeht. Neben der düsteren, knallharten Energie des Punkrocks haben Metá Metá etwa die packenden Polyrhythmen des brasilianischen Nordostens in ihre treibenden Grooves einfließen lassen. Ihr jüngstes Studioalbum „MM3“ ergänzt seine mitreißende Kraft durch musikalische Einflüsse aus Nordafrika. Die Bandmitglieder sind an zahllosen anderen Projekten beteiligt, von denen viele in den kaum zu fassenden Metá Metá-Sound Eingang finden – seien es die rhythmische Artikulation von Marçal, die experimentellen Frevo-Bläserpassagen, die França auf seinem schrillen neuen Album liefert, oder die schroffen Sambas auf Dinuccis bahnbrechendem Album „Rasthilho“ von 2020.
Juçara Marçal Gesang, Kalimba
Thiago França Saxofon, Flöte, Schwegel
Kiko Dinucci Gitarre, E-Gitarre, Synthesizer, Perkussion, Sampler, Regie
Luan Cardoso Kamera, Postproduktion
Beatriz Dantas Schnitt
Caê Rolfsen Mixing, Mastering
Im Auftrag von Berliner Festspiele / Jazzfest Berlin in Zusammenarbeit mit Manoela Wright & Juliano Gentile
Dieses Konzert ist Teil von Jazzfest Berlin – São Paulo
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Livekonzert in Berlin / ca. 50 min
Nduduzo Makhathini
Letztes Jahr erreichte der südafrikanische Pianist, Komponist und Bandleader Nduduzo Makhathini ein internationales Publikum mit seinem Blue Note Debüt „Modes Of Communication: Letters From The Underworlds“, einer berauschenden Mischung aus Randy Westons Global Jazz-Idee und der Spiritualität von John Coltrane. Der ideenreiche Musiker, der bei The Ancestors mit Shabaka Hutchings zusammengearbeitet hat, gibt bei seinem Jazzfest Berlin-Debüt einen seltenen Soloauftritt, der ästhetisch als viel introspektiver zu erwarten ist als seine überschäumenden Bandprojekte. Sein atemberaubendes Soloalbum „Reflections“ von 2017 bietet Musik von zarter Seelenruhe, und obwohl es Stücke gibt, in denen sich der Pianist bei den gefühlvollen Traditionen seines Heimatlandes bedient und etwa in einem Stück wie „Igagu“ Gospel und Zulu-Harmonien mit einem Schuss Free Jazz verwebt, schafft er sich meistens einen meditativen Raum, der seinen sorgfältigen Grübeleien reichlich Platz zum Atmen lässt. Die kraftvollen Figuren, die er mit der linken Hand spielt, verleihen seinen Darbietungen eine erdige Präsenz, die durch die poetischen Gesten seiner rechten Hand wunderbar ausgeglichen wird, mit Kompositionen, die stilistische Grenzen zugunsten genre-agnostischer Erkundungfreiheit ignorieren.
Nduduzo Makhathini Klavier
Dieses Konzert ist Teil von Jazzfest Berlin – Johannesburg