Konzert

lange//berweck//lorenz: Nachtstücke / synthetic DNA 1

Neumann / Erel / Lang / Tietchens

Das Synthesizer-Trio lange//berweck//lorenz entspinnt mäandernde, farbenreiche Welten und präsentiert das „Falter-Lamento“ und eine neue Auftragsarbeit von Asmus Tietchens, Werke von Andrea Neumann und Korhan Erel aus ihrem Projekt „Soundtracking“, das ein neues Zusammenspiel von Komposition und Interpretation in den Blick nimmt, sowie Bernhard Langs Hommage an einen Pionier der elektronischen Musik.

Nachtstücke / synthetic DNA 1

Nachtstücke / synthetic DNA 1

© lange//berweck//lorenz

Vergangene Termine

Asmus Tietchens ist einer der bekanntesten deutschen Künstler*innen der abstrakten Musik. In der neuen Auftragskomposition „pseudo topos“ will er „klanglich einen Ort beschreiben, der eigentlich gar keiner ist“. Der Ort ist vielmehr ein Zustand, den Tietchens mit unterschiedlichen Klängen und Geräuschen beschreibt. Sie folgen keiner herkömmlichen Rhythmik, Harmonik und Melodik. Das Tempo ist verhalten, die Dynamik begrenzt. Die Komposition besitzt weder einen definierten Anfang noch ein definiertes Ende. Die Dauer ist daher beliebig und kann an die jeweilige Aufführungssituation angepasst werden.

Neben „pseudo topos“ präsentiert lange//berweck//lorenz das „Falter-Lamento“ von Tietchens erster Solo-LP „Nachtstücke“, die bei ihrer Veröffentlichung 1980 einiges Aufsehen erregte: Sie erschien fast zwei Jahre später als ursprünglich geplant, trug einen unautorisierten Untertitel und ein völlig anderes Cover. Eigentlich sollte das Albumcover einen ledernen Embryo zeigen, durch dessen Auge ein Laserstrahl schießt, doch schließlich tanzten drei verschwommene Figuren auf der Hülle. „Nachtstücke“ hat wenig mit dem „Pseudo-Pop“ der darauf folgenden Sky-Phase gemein, sondern wirft ein Licht auf die düsteren, gespenstischen Aspekte von Tietchens’ späteren Arbeiten. Bei der Veröffentlichung fiel das Album mit seiner „sanften Rhythmik und der harmonischen Seligkeit“, so Tietchens, völlig aus der Zeit. „Falter-Lamento“ vermeidet Dissonanzen, plötzliche Akzente und jede Form von Brachialität. Das repetitive Anfangsmotiv schwebt taumelnd durch die Klangwelten und lässt sich mal auf dem einen, mal auf dem anderen Grundton nieder.

Die Werke von Andrea Neumann und Korhan Erel stammen aus dem Projekt „Soundtracking“ des Trios, das ein neues Format der Zusammenarbeit zwischen Komposition und Interpretation erforscht. Neumann und Erel haben jeweils eine Tonspur – einen Soundtrack – erstellt, zu der Silke Lange, Sebastian Berweck und Martin Lorenz an den Synthesizern nach minimalen Vorgaben spielen. Beim Komponieren für Synthesizer stellt sich das Problem, dass eine spezifische Notation sich nur mit einem bestimmten Produkt/Instrument realisieren lässt. Und ist die Beschreibung der Klänge kategorisch, verliert sie ihre Präzision. Der Ansatz von lange//berweck//lorenz erlaubt es den Komponist*innen, mit ihrer gesetzten Tonspur präzise Einfluss auf das klangliche Resultat zu nehmen und die Strukturierung der Zeit zu gestalten. Die Tonspur soll eine Partitur in Schriftform weitgehend ersetzen. Sie gibt einen formalen Ablauf vor, zu dem die drei Musiker*innen mit ihrem Spiel klaren Konzepten folgen oder in unterschiedlichen Graden frei improvisierend agieren. Der Fokus der Interpret*innen liegt ganz auf einer hörenden Annäherung an die Kompositionen.

Für „Signale vom Rand“ hat Andrea Neumann Sounds von dem von ihr entwickelten Innenklavier und No-Input-Mixern aufgenommen. Der Audiotrack behandelt physikalische und elektronische Widerstände und Grenzsituationen. Er macht Signale hörbar und untersucht ihre verschiedenen Qualitäten. Bewusst wurden dabei der halltote Raum des No-Input-Mixers und der Hall des Innenklaviers nebeneinandergestellt und miteinander vernetzt. Die Sparsamkeit und das Rudimentäre des Tracks lassen Spielraum für lange//berweck//lorenz, diese Phänomene mit ihren Mitteln zu interpretieren.

Die elektronische Komposition „Losing Track in Four Movements“ von Korhan Erel ist eine Studie über die Entwicklung eines Tonbandstücks, das sowohl als Begleitung für improvisierende Musiker*innen als auch als eigenständiges Stück funktionieren kann. Die Arbeit verwendet sowohl synthetische Klänge als auch Improvisationsschnipsel auf Erels Instrument „Omnibus“. „Losing Track“ ist eine Anspielung auf den Kompositionsprozess, bei dem sich Erel einige Male verirrt hat, aber auch auf den Ablauf eines improvisierten Konzerts, bei dem sich die Musiker*innen bereitwillig „verirren“, um dann einen neuen, gemeinsamen Weg einzuschlagen.

Die Inspiration für seinen umfangreichen Zyklus „Differenz/Wiederholung“ fand Bernhard Lang bei Gilles Deleuze. Sein „DW30: Loops for Klaus Schulze“ entstand 2015 für das Trio lange//berweck//lorenz. Dafür hat Lang gemeinsam mit Berweck neue Notationsweisen entwickelt. Das Stück vermischt instrumentale Klänge, Stimme und Elektronik. Es ist eine Hommage an einen von Langs Helden: Klaus Schulze. Der Musiker, 1947 geboren, erforschte in den 1970er-Jahren die elektronischen Welten und gilt als Pionier elektronischer Musik. Für manche ist er sogar der Urvater von Techno, andere sehen in ihm den Erfinder von Ambient.

Programm

Asmus Tietchens (*1947)
Falter-Lamento (1980)
pseudo topos (2022/2023)
Uraufführung

Andrea Neumann (*1968)
Signale vom Rand (2022)

Korhan Erel (*1973)
Losing Track in Four Movements (2022)

Bernhard Lang (*1957)
DW30: Loops for Klaus Schulze (2017)