V_Museum – Platform Moscow
DO 29.11. bis SO 09.12.2012, täglich ab 16:00
Eine begehbare virtuelle Installation

Taisja Korotkowa, Technology Part 1, 2008
Courtesy V_Museum
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Eintritt frei
Die interaktive Ausstellung V_Museum – Platform Moscow wirft einen Blick in die Zukunft, gesehen durch die Augen junger Künstler aus Moskau.
Das interaktive Format der Ausstellung macht es möglich, mehrere Ausstellungen in demselben Raum zu zeigen: Fünf Einzelausstellung und eine Gruppenausstellung. Das neue Format bezieht den Besucher mit ein, er bestimmt darüber, was er sieht. Ergänzt wird die Ausstellung durch eine umfangreiche Mediathek, die weitere Informationen zu den ausgestellten Künstlern bietet sowie ihr künstlerisches Umfeld vorstellt und einen Einblick in ihre Lebenswirklichkeit in Moskau ermöglicht.
Im Interface des V_Museums sind die Werkzeuge und Dienste der sozialen Netzwerke mit eingebettet. Das Berliner Publikum kann so an der Gestaltung und Weiterentwicklung der Ausstellung teilhaben, neue Freundschaften schließen und die Visionen der Künstler aus Moskau teilen, um gemeinsam nicht nur an der Vision einer neuen Zukunft zu arbeiten.
Ausstellungsmachern und Kunstvermittlern haben zusätzlich die Möglichkeit bei einer Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung die neuen Präsentationsmöglichkeiten und ihre Anwendbarkeit kennen zu lernen.
Ein Projekt von Christina Steinbrecher, Andrey Gelmiza und Anne Maier.
Produziert von Sputnik Art Foundation und Berliner Festspiele.
Gefördert vom Auswärtigen Amt und ROSTMedia.
Mit freundlicher Unterstützung von Brandenburger Hof, KNYGABYTE, justdesign.
Fünf Positionen von vier Künstlern und einem Künstlerpaar geben einen Einblick in die virulente Moskauer Kunstszene und vermitteln einen Ausdruck ihres kreativen Potentials – entstanden jenseits des gängigen Kunstmarkts.
Das Künstlerpaar MishMash interessieren die visuellen Codes der heutigen Megastädte. Sie suchen in ihren Arbeiten nach einer optischen Verkörperung von Wegen und Orten, die die Bewohner der Städte gewohnheitsmäßig beschreiten und begehen. Sie wollen die automatisierten Prozesse in eine abstrakte Darstellung übertragen, ästhetische Verdichtungen der körperlichen, täglichen Gewohnheitsabläufe herstellen. Private und öffentliche Wegesysteme und Bewegungsmuster lassen sich so herausarbeiten und als jeweilig typische erkennen. Im Kontext der sowjetischen und post-sowjetischen Stadtgestaltung und -verwaltung wird erkennbar, dass die persönlichen, subjektiven Wege in der Stadt in der Regel die des öffentlichen Lebens sind. Diese Grundmuster überziehen das gesamte Territorium Russlands, und sind in ihrer Art typisch. MishMash hat in Moskau und in Jekaterinburg/Ural mit einem Internet-Aufruf Menschen gebeten, Fotografien und Bilder, die Sinnbilder ihrer Stadt sind zu schicken, ihnen typische Details wie beispielsweise Architekturfragmente, Farbkombinationen oder ästhetische Besonderheiten zu nennen. Ebenso riefen die Künstler die Bewohner auf, die ästhetischen Vorlieben und Geschmäcker der kommunalen Verwaltung, die wesentlich das Bild einer Stadt prägt, zu benennen.
Aus all diesen Fotografien und Angaben erstellt MishMash Systeme, mit Hilfe derer sich daraus visuelle Idiome herauskristallisieren, die wiederum in eine Serie geometrischer Abstraktionen übertragen werden. MishMash und V_Museum werden dieses Projekt in Berlin weiterführen, um gemeinsam mit den Berlinerinnen und Berlinern einen visuellen Code ihrer Stadt zu entwickeln.
Pawel Kiselew hingegen beschäftigt sich mit Volumen, Formen und Faktoren, die ihre Veränderung bewirken. Indem er bestimmte Volumina immer neuen „Einflüssen“ aussetzt, entsteht eine unendliche Vielfalt an Gestaltungen. Sechs digitale Kopien einer Skulptur werden je nach dem als das Original erkennbar sein, wie in ihren zahlreichen Kombinationen als ein neues Kunstwerk sichtbar werden. Pavel Kiselev schafft so ein Bild für die Undefinierbarkeit der Zeit wie der Form. Alles ist eine Frage des individuellen Standpunktes, des biografischen, lokalen, zeitlichen.
Einer der konsequentesten Vertreter der sogenannten „generativen Kunst“ ist Aleksander Lysow. Er entwickelt eigens für das V_Museum eine Videoproduktion, das den Formenkanon der ersten Generation Computerkünstler der 60er und 70er Jahre aufgreift. Farben, Lichtblitze und schnelle Aufnahmewechsel führen zu einem optischen Overkill. Die utopische Vorstellung einer Zukunft, von der die Erfinder der Vergangenheit geträumt haben, kommt in der Arbeit von Lysow quasi ein zweites Mal auf die Welt.
Olya Kroytor gehört zu der Riege junger Künstler in Moskau, die sich unentwegt mit der Thema „Zukunft“ beschäftigen und wie diese zu verkörpern sei. Für das V_Museum hat sie eine Installation aus sowjetischen Collagen vorbereitet. Mit ihren geometrischen Umsetzungen haucht sie so dem Geist der sowjetischen Avantgarde und deren Visionen von einer Zukunft neues Leben ein. Reflektiert wird hier die Philosophie, die auf der utopischen Idee einer neuen Avantgarde basierte, die eine Revolution möglich gemacht hat und doch enttäuscht über die Unerfüllbarkeit ihrer Ideale zurückbleibt.
Taisja Korotkowa malt in hyperrealistischer Manier und bedient sich der traditionsreichen Technik der Ikonenmalerei. Diese Technik kombiniert sie mit dem Formenkanon der untergegangenen Sowjetunion. Die Anti-Utopistin Taisia Korotkova betont immer wieder, dass sie das bereits Gesehene und Bekannte mit schärferen Konturen nachzeichne. In Stil und Umsetzung erinnern ihre Bilder mit ihrer kühlen Farbgebung in Tempera an die optimistischen Illustrationen der 60er Jahre. Hier erscheinen sie aber kalt und emotionslos und widerlegen so die Ideale des Fortschritts und der Wissenschaft, deren Vertreter – Wissenschaftler und Forscher – sie zu feiern scheinen.
Kuratorin Christina Steinbrecher
mit Taisia Korotkova, Alexander Lysov, Pavel Kiselev, Olya Kroytor, MishMash (Michail Leykin und Maria Sumnina)