Joseph Bologne

Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, 1745 in Baillif auf Guadeloupe geboren und 1799 in Paris gestorben, war nicht nur Komponist, Geigenvirtuose und Dirigent, sondern brillierte auch als Fechter und Athlet. Er führte ein ereignisreiches Leben, das seit dem 19. Jahrhundert die Phantasie der Biografen beflügelte.

Sein Vater Georges Bologne, ein Pflanzer auf Guadeloupe, gab ihn in Frankreich zu dem bekannten Maître d’armes Texier La Boëssiere zur Ausbildung, die er als 19-Jähriger als einer der besten Fechter Europas abschloss und zum Gendarme de la Garde du roi ernannt wurde. Im Gegensatz dazu liegen die Anfänge seiner musikalischen Laufbahn eher im Dunkeln. Die Tatsache, dass ihm sowohl Antonio Lolli als auch François-Nicolas Gossec Werke widmeten, lässt vermuten, dass Saint-Georges bei diesen auch Unterricht genommen hat. François-Joseph Fétis (1784 – 1871), der Komponist und Musikerbiograf, nahm hingegen an, er sei Schüler Jean-Marie Leclairs d.Ä. gewesen. Ende der 1760er Jahre trat er Gossecs Concerts des amateurs bei, wo er 1772 mit zwei eigenen Violinkonzerten (op. 2, 1773) debütierte und schlagartig als Geigenvirtuose bekannt wurde. Als Gossec 1773 Direktor des Concert spirituel wurde, übernahm Saint-Georges die Leitung des Concert des amateurs. Ebenfalls 1773 erschienen seine sechs Streichquartette op. 1., die zusammen mit denjenigen von Gossec zu den ersten französischen Kompositionen dieser Gattung gehören. Mit einer Reihe von Violinkonzerten und den Symphonies concertantes etablierte er sich 1775 endgültig als Komponist in der Pariser Musikszene. An der Faktur der Konzerte, die er für sich und das Orchester komponierte – hohe und höchste Lagen, große Beweglichkeit der Bogenführung und Doppelgriffpassagen – lässt sich seine Virtuosität ablesen.

Als er jedoch 1775 für einen der Direktorenposten der Académie royale de musique vorgeschlagen wurde, lehnte man ihn aufgrund rassistischer Einwände gegen seine Hautfarbe ab. 1777 schrieb er seine erste Oper „Ernestine“ für die Comédie-Italienne, ein Jahr später „La Chasse“. 1777 trat Saint-Georges in die Dienste des Herzogs von Orléons. Als Lieutenant des Chasses de Pinci eingestellt, beteiligte er sich vor allem an den künstlerischen Aktivitäten der Madame la Comtesse des Montesson. 1781 wurde das Concert des amateuers aufgrund finanzieller Probleme aufgelöst, kurz danach aber durch das Concert de La Loge olympique mit gleich hohem künstlerischen Anspruch ersetzt, auch hier übernahm Saint-Georges die Leitung. Nach dem Tod des Herzogs von Orléans 1785 ging Saint-Georges nach England, wo er sich an einer Reihe von spektakulären Fechtwettkämpfen beteiligte. Nach seiner Rückkehr nach Paris arbeitete er für den neuen Herzog von Orléans, der für seine revolutionäre Gesinnung bekannt war. Während der Französischen Revolution diente er als Colonel der Légion Saint-Georges, dem ersten Regiment Europas, das sich ausschließlich aus Schwarzen Soldaten zusammensetzte. 1792 trat er als Hauptmann in den Dient der Garde nationale. Im gleichen Jahr wurde er in Lille zum Oberst und Brigadechef der Légion nationales des américains et du Midi ernannt, an deren Organisation er mitgewirkt hatte. Im Spätjahr 1793 wurde Saint-Georges – Opfer der Terreur – zu 18 Monaten Militärhaft verurteilt. 1795 machte er eine Reise nach San Domingo, wo er an einem antispanischen Aufstand teilnahm. 1797 kehrte er nach Paris zurück, wo er als Privatmann bis zu seinem Tod 1799 die Konzerte des Cercle de l’harmonie im Palais royal dirigierte.

Als Leiter der Concert des amateurs wie der Société de la Loge olympique trug Saint-Georges entscheidend zum hohen künstlerischen Niveau dieser Orchester bei, als Geiger darf er den Rang des ersten französischen Violinvirtuosen beanspruchen. Als Komponist leistete er zwischen 1775 und 1785 einen wesentlichen Beitrag zu den beiden Hauptgattungen der französischen Instrumentalmusik: zur Symphonie concertante und dem Solokonzert, deren Entwicklung einherging mit dem rasanten Aufschwung des Pariser Konzertwesen.

Quelle: Thomas Betzwieser in MGG2, Personenteil Bd. 14, 2005, Sp. 792 ff

Stand: November 2019