Stückemarkt-Auswahl 2022

Was ist (uns) die Zukunft wert? Dieser Frage haben sich fünf innovative junge Künstler*innen und Kollektive auf unterschiedliche Weise genähert und mit ihren ästhetisch und inhaltlich anspruchsvollen Arbeiten die Jury überzeugt.

Bakice / Grannies

Kolektiv Igralke und Tjaša Črnigoj (Kroatien/Slowenien – Projekt)

Das Kolektiv Igralke und Tjaša Črnigoj richten in ihrer dokumentarischen Performance „Bakice / Grannies“ den Fokus auf die am stärksten von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppe in Kroatien: Frauen über 65. Die vier Performerinnen erzählen von Sicherheit, (Un-)Gleichheit, Inklusion und Würde, von Arbeit, Alter und dem weiblichen Prekariat. Dabei verschwimmen die Geschichten der vier „Grannies“ mit den Biografien der eigenen Großmütter und ihren persönlichen Zukunftsperspektiven – und machen fast beiläufig klar, dass es sich um globale Geschichten handelt, die erzählt werden müssen.

Kolektiv Igralke und Tjaša Črnigoj

Kolektiv Igralke und Tjaša Črnigoj

© Milica Czerny Urban (Kolektiv Igralke), Rromir Imami (Tjaša Črnigoj)

Eric Marlin

Eric Marlin

© Jon Wes

AirSpace or In the Next Century

Eric Marlin (USA – Text)

In der absurden Tragikomödie „AirSpace or In the Next Century“ lässt Eric Marlin seine Protagonistin Susannah nach Rumänien reisen, wo sie einen neuen Job als Consultant aufnimmt. Mehr und mehr beginnt die Außenwelt mit der Bürowelt zu verschmelzen und auch Susannahs Privatleben lässt sich nicht mehr von ihrem Job trennen. Im Laufe des Stücks offenbart sich eine westliche, globalisierte und kommerzialisierte Welt, die sich unberechenbar weiterdreht und dabei eigentlich nur um sich selbst kreist. Dabei schafft Marlin eine virtuose Sprache und Form, die nach und nach das anfangs etablierte realistische Setting verzerrt.

Circle Hasu We plant seeds in the spring of mountains

Aine Nakamura (Japan/Deutschland/USA – Projekt)

Mit „Circle hasu We plant seeds in the spring of mountains“, einer Reihe von Solo-Performances, entwirft Aine Nakamura eine eigene Sprache und vergegenwärtigt in Form von onomatopoetischen Beschreibungen die Vermischung kultureller Zusammenhänge und Zwänge zwischen Japan und den USA, die sich in ihrer Person manifestieren. Mit großer Konzentration und Hingabe verwebt sie Transnationalität, Diskriminierungserfahrungen und weibliche Körperlichkeit mit der unerschütterlichen Zeitlichkeit und dem Rhythmus der Natur.

Aine Nakamura

Aine Nakamura

© Takaaki Asai

ruth tang

ruth tang

© Nathaniel Johnson

FUTURE WIFE

ruth tang (Singapur/USA/Neuseeland – Text)

In der Welt, die ruth tang in „FUTURE WIFE“ entwirft, finden Paarbeziehungen nur noch zwischen Frauen und Ziegen statt. Die Ziegen können kurz vor ihrer Schlachtung durch die Arbeiterinnen im Schlachthaus gerettet werden – vorausgesetzt, der Liebesfunke ist übergesprungen. Aktivistische Aliens fordern Freiheit für alle Tiere, Piraten denken über gerechte Geldverteilung nach und der Chor der Ziegen liest „Das Kapital“ im Buchclub. tang schafft eine skurrile Komödie, die sich an Ausbeutungs- und Unterdrückungsprozessen abarbeitet und dabei klarmacht, was Messer mit Kapitalismus zu tun haben.

And I dreamt I was drowning

Amanda Wilkin (England – Text)

In „And I dreamt I was drowning“ erzählt Amanda Wilkin die Geschichte von Kiya und Daniel, die – von Diskriminierung und Unterdrückung in der Heimat bedroht – verzweifelt versuchen, über das Wasser nach Europa zu gelangen. Kiya würde alles tun, um dort anzukommen. Daniel würde alles tun, um bei Kiya zu bleiben. Wenn wir uns selbst verlieren müssen, um in einer besseren Zukunft anzukommen, ist es die Reise wert? Amanda Wilkin kreiert mit „And I dreamt I was drowning“ einen intensiven Text, der den Finger in die Wunde unserer Zeit legt.

Amanda Wilkin

Amanda Wilkin

© Helen Murray