Production
based on “Antigone” by Walter Hasenclever
Theaterjugendclub “Sorry, eh!” / Schauspiel Leipzig
„So lang ich lebe, lebt Gerechtigkeit.“ © Rolf Arnold
In the play “So lang ich lebe, lebt Gerechtigkeit.” (“As long as I live, justice lives.”) there is the foreboding of a youth who sees the social tipping point coming.
Based on Walter Hasenclever's expressionistic adaptation of Sophocles' tragedy “Antigone” rom 1916, the play “So lang ich lebe, lebt Gerechtigkeit.” uses Greek mythology to address rational and emotional, human behavior patterns in all their radicality and inevitability: myth meets present. The examination of the material from a youthful perspective with all the doubts and insecurities, the rage at the existing, their self-deprivation and the urge for change, interweaves with the seemingly hopeless spiral of injustice and violence in the world.
„Was guckst du so? Ja, was guckst du so?“ Dreizehn Jugendliche stehen und schauen. In die Vergangenheit. In die Gegenwart. Und vielleicht in die Zukunft. Ein Podest, eine Wand, Jugendliche in androgynen Kostümen, drei Mikrofone, eindringliche Texte, Haze, Leuchtstäbe, ein fast durchgehender musikalischer Score mit viel Bass. „So lang ich lebe, lebt Gerechtigkeit.“ macht Politik in einem Nachtclub. Das Tanzen dient weniger der Erlösung, es ist vielmehr ein Bild für Ermächtigung und Selbstermächtigung.
In „So lang ich lebe, lebt Gerechtigkeit.“ steckt eine Vorahnung. Die Vorahnung einer Jugend, die den gesellschaftlichen Kipppunkt kommen sieht. Einer Generation, deren Sicherheiten schwer erschüttert wurden, deren Welt auseinanderzubrechen droht. Die Vorahnung eines Ensembles, das vorschlägt, Solidarität höher zu achten als Macht. Das mahnt und warnt. Ihre Antigone ist mutig, bedacht, souverän und liebevoll, ohne naiv zu sein. Sie will ihren Bruder beerdigen, der den Streit um das Königreich nicht überlebt hat. Aber ihr Onkel Kreon, jetzt Herrscher, will ein Exempel statuieren und verweigert die Bestattung. Die Ideologie des Krieges, der Verletzung, der Abschottung steht dem Konzept des Vergebens, des Vertrauens, der Freiheit gegenüber. „So lang ich lebe, lebt Gerechtigkeit.“, sagt Antigone zu den Menschen, „Der Glaube an meine Taten überlebt mich.“ Die Idee von Menschlichkeit soll eine Zukunft haben, es braucht Verbündete.
Das Stück fragt, fordert, pulsiert im Nebeneinander von Erzählsträngen. In selbstgeschriebenen Monologen wollen die Spieler*innen wissen: Wie den eigenen Alltagsproblemen begegnen im Angesicht eines Krieges in Europa? Womit beginnt der eigene Widerstand und wann wird er politisch? „Kennst du das, diese Ich-bin-Ich-Momente? Dann ist alles so weit weg. Und klein.“ Die Inszenierung lässt widersprüchliche Energien effektvoll gegeneinander vibrieren. Sie verbindet ausbalanciert den Antigone-Stoff, jugendlichen Alltag und Rave, Antike und Gegenwart. Sie ist Pathos und Poesie, präzise Formation, energetisches Chaos, Körper, Choreografie, Stimmen, Licht - sie ist Gewalt, Macht, Verbundensein, Solidarität und Befreiung.
„So lang ich lebe, lebt Gerechtigkeit.“ begeistert mit großen Bildern und einem Ensemble, das kollektiv erzählt, aber alle Spielenden einzeln sichtbar werden lässt. Mit einer bestechenden Präsenz und Dringlichkeit. Mit Schärfe in den Texten und Lässigkeit in der Haltung. Die Inszenierung ist bemerkenswert kraftvoll und trotzdem durchlässig und zart in den jugendlichen Perspektiven. Eine Sehnsucht überträgt sich. Eine Sehnsucht nach dem Lernen aus der Vergangenheit, nach Miteinander, Verbindlichkeit, nach Frieden. Nach dem verantwortlichen Selbst in der Welt. Aber auch eine Sehnsucht nach dem Loslassen dürfen.
Omid Arabbay, Hannah Arnim, Hanna Mina Deutsch, Nika Fabich, Julius Götze, Sarah Hohendahl, Linus Hüsam, Maria Kremer, Stine Kreutzmann, Toni Leue, Marlene Lidy, Magali Rassmann, Nele Reinshagen, Maria Trofimov, Fine Weßlau
Yves Hinrichs – Direction and Stage Design
Naomi Jaschinski – Costume Design
Paul Spiering – Choreography
Gwendolin Kyra Schmerer – Music Rehearsal
Hannah Arnim – Assistant to the director
Robert Gotthardt – Video
Benjamin Große – Dramaturgical Consultation
Thomas Kalz – Head of Stage
Ronny Kinner – Lighting Design
Heribert Weitz – Sound