Konzert
Ensemble Modern Orchestra
Vimbayi Kaziboni, Leitung
Heiner Goebbels: „A House of Call“ (UA)
Früheste Version des „Roderich O’Connor”-Stücks aus „Finnegans Wake“. In: David Hayman (Hrsg.), „A First Draft Version of Finnegans Wake“, Austin, Texas: University of Texas Press, 1963, p. 206
Die innovative Kraft des Ensemble Modern Orchestra und die genreübergreifende Kompositionsweise von Heiner Goebbels treffen erneut aufeinander: Anlässlich des Beethoven-Jahres hat Heiner Goebbels ein neues Werk geschrieben, dessen Uraufführung beim Musikfest Berlin 2021 stattfindet.
„A House of Call. My Imaginary Notebook“ ist ein vierteiliger Zyklus mit Kompositionen, in denen das Ensemble Modern Orchestra auf Stimmen reagieren wird, die Heiner Goebbels in einem imaginären Notizbuch bewahrt hat; Stimmen, auf die er bei Projekten, Reisen, Begegnungen oder in Archiven – manchmal auch zufällig – gestoßen ist und die jetzt mit ihren eigenen Klängen und Sprachen wiederkehren und ‚den Ton angeben‘: Dialoge, Beschwörungen, Gebete, Anrufungen, Aufrufe, Sprechakte oder Lieder. Es sind unverwechselbare, ‚eigentümliche‘ Stimmen, die jetzt, meist zum ersten Mal, auf einer Konzertbühne zu Wort kommen. Die Musiker*innen des Orchesters antworten darauf, individuell oder kollektiv, wie der Chor in einem Responsorium: sie kommentieren, unterbrechen, unterstützen und widersprechen.
„a prolonged visit to a house of call“ – die Zeile findet sich bei James Joyce in „Finnegans Wake“, auf Seite 41, unweit des onomatopoetischen „roaratorio“, das dem Hörstück von John Cage den Namen geben sollte. Ein Hörstück, das mich nachhaltig geprägt hat, weil sich John Cage inmitten eines Stroms vieler Stimmen, Mesostichon für Mesostichon, durch die 628 Seiten des Romans liest – wie ein ‚gesungenes Schreiben der Sprache‘. So hat Roland Barthes die Rauheit (Körnung) der Stimme beschrieben, und diese Rauheit – le grain de la voix – macht das Gemeinsame der Stimmen aus, die sich in meinem imaginären Notizbuch eingefunden haben.
Heiner Goebbels 2020
In vielen der Arbeiten von Heiner Goebbels spielt die Anziehung abwesender, akusmatischer Stimmen eine wichtige Rolle; ob 1981 auf seiner ersten Single „Berlin Kudamm 12.4.81“ (1981), in der „Chaconne / Kantorloops“ aus „Surrogate Cities“ (1994), in der Performance „Stifters Dinge“ (2007), der Klanginstallation „Genko An“ (2008ff.) oder in seinen Hörstücken. In „A House of Call“ werden die Stimmen zum ersten Mal zu Protagonisten eines ganzen Konzerts.
Heiner Goebbels (*1952)
A House of Call. My Imaginary Notebook (2020)
Heiner Goebbels und Diego Ramos Rodríguez – Instrumentation
Kompositionsauftrag von Ensemble Modern, Berliner Festspiele / Musikfest Berlin, Kölner Philharmonie, beuys2021, Elbphilharmonie Hamburg, musica viva / Bayerischer Rundfunk, Wien Modern und Casa da Música Porto.
Uraufführung
Ensemble Modern Orchestra
Vimbayi Kaziboni – Leitung
Heiner Goebbels und Hendrik Borowski – Lichtregie
Norbert Ommer – Klangregie
Felix Dreher und Volker Bernhard – Tontechnik
Ein Projekt im Rahmen von BTHVN 2020. Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin