Kultureller Pluralismus ist kein neues Phänomen; es gibt ihn seit langem in Völkern, Nationen und Gemeinschaften. Schon in prähistorischen Zeiten bewegten sich die Menschen auf ihrer Suche nach Nahrung, Wasser und Schutz von einem Ort zum anderen. Ihre Migrationsmuster wurden durch Klima, Verfügbarkeit von Ressourcen und Interaktionen mit anderen beeinflusst; später kamen Imperialismus und wirtschaftliche Ambitionen hinzu. Die so entstandenen Lebensgemeinschaften mit ihren Verhaltensweisen und den Sprachen, Gesten und kulturellen Überlieferungen, die sie miteinander austauschten und teilten, prägten die Identität der Menschen ebenso wie Nationen und Gemeinschaften, und nicht selten zu einem hohen Preis. Diese multidimensionale Diversität und Pluralität gehörte zwar schon immer zur Geschichte der Menschheit, die heutige globale Homogenisierung stellt Traditionen, lokale Sprachen und kulturelles Erbe jedoch vor erhebliche Herausforderungen. Dies führt wiederum dazu, dass in vielen Regionen und Ländern starre, stereotype und essentialistische Konzepte von Identität wieder an Einfluss gewinnen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen möchte die Performing Arts Season 2025/26 Arbeiten zusammenbringen, die Binaritäten ebenso wie einzelne, nicht miteinander verbundene Identitäten untersuchen und über die Vernetzung der Welt und des Selbst in seiner Gänze nachdenken – über das, was Édouard Glissant die „All-Welt“ (Tout-monde) nennt.
Die dritte Ausgabe der Performing Arts Season formuliert diese Konzepte von Identität aus der Perspektive der darstellenden Künste als vergängliches, auf Verständigung und Beziehungen basiertes Phänomen. Sie präsentiert ausgewählte Tanz-, Theater- und Performance-Arbeiten, die die Idee einer auf Mehrheiten und Minderheiten basierten Gesellschaft verwerfen, welche nicht-europäischen Künstler*innen nicht selten einen gewissen Minderheitenstatus zuschreibt. Die Stücke von Eun-Me Ahn, Gisèle Vienne und Étienne Bideau-Rey, William Kentridge, Akram Khan Company, Nina Laisné, François Chaignaud und Nadia Larcher, Thorsten Lensing und Ligia Lewis setzen sich mit Themen wie Prekarität von Identität, Vertreibung, Kreolisierung und Transnationalität auseinander und unterstreichen damit, wie kraftvoll die darstellende Kunst unsere gemeinsamen und doch diversen Erfahrungen beschreiben und artikulieren kann.