Yvonne Loriod

Yvonne Loriod (1924­–2010) ist in der Musikwelt als herausragende Pianistin und eine der wichtigsten Interpretinnen französischer Musik des 20. Jahrhunderts bekannt, die sich vor allem um das Schaffen ihres Ehemanns Olivier Messiaen verdient gemacht hat. Dass Loriod auch selbst komponierte, war dagegen bis vor wenigen Jahren kaum geläufig. Erst nachdem 2016 der gemeinsame Nachlass des Ehepaars Messiaen-Loriod der Pariser Nationalbibliothek übergeben wurde, wurde ihr in den 1940er- bis frühen 1950er-Jahren entstandenes Schaffen wieder wahrgenommen und wird seither aufgeführt. Was sich bisher abzeichnet, ist das Bild einer wagemutigen und neugierigen Komponistin, die Einflüsse außereuropäischer Musik aufnahm und sich mit elektronischer Musik beschäftigte.

Yvonne Loriod wurde am 20. Januar 1924 in einem Pariser Vorort geboren und wuchs in einer Familie auf, in der die Musik einen hohen Stellenwert besaß. Wie ihre jüngere Schwester Jeanne, die ebenfalls professionelle Musikerin wurde, begann sie im Kindesalter mit dem Klavierspiel. Yvonne Loriod zeigte eine phänomenale Begabung: Mit 14 Jahren bewältigte sie bereits beide Bände des Wohltemperierten Klaviers von J. S. Bach, alle 32 Klaviersonaten Beethovens und zahlreiche Klavierkonzerte Mozarts. 1938 wurde sie, im Alter von 16 Jahren, am Pariser Conservatoire aufgenommen.

Genau in dieser Zeit waren das Conservatoire und die Pariser Kreise der neuen Musik ein Brennpunkt der Avantgarde. Yvonne Loriod, die neben Klavier in der Klasse von Darius Milhaud auch Komposition studierte, nahm an den künstlerischen Entwicklungen aktiv teil. So gehörte sie 1941 zu den allerersten, die bei Olivier Messiaen Harmonielehre belegten und seine wegweisenden Kurse besuchten. Zu ihren Kommilitonen zählte Pierre Boulez, mit dem sie sich rasch anfreundete und für dessen Klaviermusik sie sich intensiv einsetzte. 

1948 nahm sie eine eigene, einflussreiche pianistische Lehrtätigkeit an der berühmten Institution auf und ihre kompositorische Tätigkeit trat immer mehr in den Hintergrund. Nach einer Gastdozentur in Karlsruhe erhielt sie eine Professur für Klavier am Pariser Conservatoire, die sie bis zu ihrer Emeritierung 1989 innehatte. Pierre-Laurent Aimard, Roger Muraro, Kent Nagano und viele andere nahmen bei ihr Unterricht. Sie war mehrfach als Dozentin bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik zu Gast. Als Interpretin bereiste sie viele Länder, darunter England, Spanien und die USA im Jahr 1949, Japan 1962 und in den 1970er-Jahren vielfach die USA und Kanada. 

Eine einzigartige künstlerische Beziehung entspann sich indessen zwischen ihr und Messiaen. Loriods eminente Virtuosität brachte Messiaen dazu, sich als Komponist dem Klavier zuzuwenden. Praktisch sein gesamtes Klavierschaffen ist Loriod verpflichtet. Auch privat waren sie voneinander angezogen. Sie heirateten im Jahr 1961 relativ kurz nach dem Tod von Messiaens erster Frau. 

Stand: November 2025