Konzert | Klavier solitär
Vielstimmigkeit, auf bis zu sechs Systeme verteilte Noten und Werklängen bis zu sechs Stunden: die eigentümliche, äußerst komplizierte Schreibweise des legendären Pianisten und Komponisten britisch-parsischer Herkunft Kaikoshru Sorabji scheint sich zunächst der Interpretation und dem Hören zu versperren. Ausgesprochen selten sind Konzerte des überaus anspruchsvollen, gleichermaßen besonderen Klavierwerks von Sorabji, der erst 1982, also fünfzig Jahre nach seiner eigenen Uraufführung von Opus Clavicembalisticum dem Pianisten Geoffrey Madge die Erlaubnis zu einer öffentlichen Präsentation erteilte und im Vorfeld der Konzertreise den Pianisten intensiv auf den 3½-stündigen Auftritt vorbereitete, auch auf ganz praktische Aspekte wie die Anschlagsqualität des jeweiligen Instruments. Seitdem hat Madge immer wieder mit Sorabjis Klavierwerk konzertiert. Dennoch sind Aufführungen des Komponisten Sorabji, dessen Klavierwerk sich an die großen Werke von Bach und Beethoven reiht und das in der Tradition Busonis steht, den er in jungen Jahren kennen lernte, eher selten.
Im Kontext der Klavier Solitär-Reihe markiert das „Opus Clavicembalisticum“ einen historischen Punkt zwischen dem Altmeister zyklischer Klavierwerke Johann Sebastian Bach („Das Wohltemperierte Klavier“) und dem monumentalen, antipodischen 6½-stündigen „The Well-Tuned-Piano“ La Monte Youngs.
Der extremen Satzdichte und den hohen spieltechnischen Anforderungen trotzend, verfolgt Madge beim Spielen des Werks das Ziel, die in Opus Clavicembalisticum investierte Energie minimal zu halten, damit aus dem Werk – wie von selbst – das sich hervor schält, was an feinen singenden Linien in der Dichte verborgen ist und damit diese besondere Art multipler Transparenz entsteht, die sowohl außereuropäische Rhythmen durchscheinen lässt, als auch Konturen der zugrunde liegenden Konstruktions-Logiken dem hörenden Nachvollzug erkennbar macht.
Kaikoshru Sorabji
Opus Clavicembalisticum (1932)
Geoffrey Madge – Klavier