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Jocy de Oliveira: Kseni (die Fremde)

Im Zentrum des Schaffens von Jocy de Oliveira seit den 90er Jahren stehen sechs große Opern, die in und außerhalb Brasiliens aufgeführt werden. Darunter eine Opern-Trilogie mit Inori, to the sacred prostitute (1993) als erster Teil, Illud Tempus (1994) als Mittelstück, das u.a. auch in Berlin im Haus der Kulturen der Welt aufgeführt wurde und As Malibrans (1997). Seit 2002 setzt sie sich mit dem Medea-Mythos auseinander. Am Ende dieser Arbeit wird ein Musiktheater Medea – Prophezeiung und Ballade stehen, von dem bereits ein 25-minütiges Segment mit dem Titel Medea Ballade auf den Dresdner Tagen der zeitgenössischen Musik 2002 von Sigune von Osten aufgeführt wurde. Die konzertante Fassung dieses Musiktheaters Kseni – Die Fremde, das Sigune von Osten gewidmet ist, besteht aus fünf Teilen: Medea Prophecy, Coro, Who cares if she cries, No civilized women would do this, Medea Ballade. Wie in ihrer Operntrilogie geht es auch hier um die Übersetzung einer mythischen Erzählung in die politische und kulturelle Realität unserer Zeit. Fragen nach dem Fremdsein, dem Andersein, der Diskriminierung werden an der Frauenfigur der Medea entwickelt. Ausgangspunkt ihrer Komposition ist nicht die antike Tragödie des Euripides, sondern eine Ballade der mittelalterlichen Troubadour, in der dieser antike Mythos in der Sprache des Langue D’Oc nacherzählt wird. Die Melodie dieser Ballade ist Ausgangspunkt einer kompositorischen Dekonstruktion, einer Anreicherung und Einfärbung mit unterschiedlichen Klangfarben.

„... Der griechische Mythos schien mir ein stringentes und durchaus zeitgenössisches Thema in seinem politischen Aspekt: Eine heroische, gejagte und diskriminierte Frau, die von der griechischen Regierung als Barbarin, Emigrantin angesehen wurde, die zur heimatlosen Medea wird. Der Gebrauch weniger ethnischer Instrumente, die ihren Ursprung in Brasilien, Indien, Griechenland, der Türkei, Nepal und Burma haben, scheint dem universal gültigen und irgendwie zeitlosen Mythos angemessen. Es ist in diesem Zusammenhang auch wichtig, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie die christlich-syrischen Gemeinschaften an der Malabar-Küste Indiens im 16. Jahrhundert und die portugiesische Kolonisation von Goa später einige orientalische Spuren nach Brasilien brachten. Spuren, die von Volkssängern, den ‚Cantadores‘ im Nordosten Brasiliens assimiliert wurden. Dieser Mythos, der in der Medea-Ballade neu erschaffen und analysiert wird, zielt auf eine Reflexion ab, wie die heutige Globalisierung humaner sein kann.“ (Jocy de Oliveira)

Die Partie der Medea ist für Sigune von Osten geschrieben.

Neben dem gängigen Instrumentarium werden in diesem Stück auch außereuropäische Instrumente und die Skulptureninstrumente der Bildenden Künstlerin Ursula Haupenthal, die sowohl als szenische Elemente auf der Bühne als auch als Instrumente fungieren, eingesetzt.

Jocy de Oliveira
Kseni - eine Fremde (2002-2004)
UA der konzertanten Fassung, komponiert in 5 Teilen ohne Pause
Medea Prophecy – Coro – Who cares if she cries – No civilized woman would do this – Medea Ballade

Jocy de OliveiraMusik/Text/Konzept/Künstlerische Leitung
Sigune von OstenSopran/Sängerin/Schauspielerin

Art Point Ensemble
Ursula HaupenthalSkulpturInstrumente, Idiophone
Georg WettinKlarinette/Bassklarinette
Norbert SchröderVioloncello
Serge BaghdassarianElektrische Gitarre/Tambura
Claudia SgarbiSchlagwerk
Notker SchweikhardtLicht

In Kooperation mit Brasilianische Botschaft in Berlin