Musiktheater
Die Wüste ist ein Ort des Fremden. Sie ist Sinnbild einer unfasslichen Leere, Metapher für den Tod und das Nichts und immer wieder Projektionsfläche für die Angst vor dem Verlust der Erinnerung. Zahlreiche Autoren haben sich mit dem Phänomen Wüste in ihren Texten auseinander gesetzt. Ingeborg Bachmanns dem „Todesarten-Projekt“ entnommene „Wüstenbuch-Fragmente“ sind hierfür eindrückliche Beispiele. Beat Furrer und Händl Klaus haben sie zu Teilen in ihren textlichen Entwurf ihres neuen Musiktheaters Wüstenbuch einfließen lassen.
Beat Furrer: „Drei Personen auf einer Reise durch das heutige Ägypten; auf der Suche nach dessen Ursprüngen begegnen sie der eigenen Wüste als Erinnerungslosigkeit, den Phantasmagorien ihrer eigenen Erinnerung und schließlich, in der letzten Szene, auf einer sehr elementaren Ebene: einem Abglanz einer Utopie des Menschseins, einer gerechten Gesellschaft: ‚Es wird geschwiegen, ohne Aufenthalt und Furcht. (…) Wir haben aus einem Teller gegessen. Wir haben geteilt und nicht gebetet, nichts zurückgeschickt, keine Bohne stehengelassen, nichts weggenommen, nicht vorgegriffen, nicht nachgenommen.‘ (Ingeborg Bachmann) … Die Musik schafft eine Perspektive auf die Textfragmente und lässt diese gleichsam in ihrer Fremdheit zur Sprache kommen.“
Weitere Säulen des Librettos bilden Texte von Händl Klaus, Antonio Machado und Lukrez sowie der altägyptische Papyrus 3024, in dem ein Unbekannter seine Sehnsucht nach dem Tod niederschrieb. Der Papyrus wird in der neuen Übertragung von Jan Assmann verwendet, der in seinem Aufsehen erregenden Buch „Tod und Jenseits im Alten Ägypten“ zahlreiche Totentexte sammelte und so einen entscheidenden Beitrag über das Verhältnis der Alten Ägypter zum Tod, über die Gleichzeitigkeit von Todesritual und vitaler Lebensfeier lieferte.
Wüstenbuch, ein Musiktheater für kleines Orchester, Sing- und Sprechstimmen, in einer Inszenierung des Regisseurs Christoph Marthaler, der bereits die Musiktheaterwerke Fama (2005) und invocation (2003) von Beat Furrer szenisch umsetze, ist ein Auftragswerk von Theater Basel, MaerzMusik | Berliner Festspiele und Wiener Festwochen, und wird bei MaerzMusik in Deutschland erstaufgeführt.
19.00 Uhr | Einführungsveranstaltung
Marie Luise Maintz im Gespräch mit Beat Furrer und Jan Assmann
Beat Furrer
Wüstenbuch (2010)
DE/AW Theater Basel, MaerzMusik | Berliner Festspiele und Wiener Festwochen
Ein Musiktheater nach Texten von Händl Klaus, Ingeborg Bachmann, Antonio Machado, Lukrez und aus Papyrus Berlin 3024
Tora Augestad / Hélène Fauchère – Sopran
Sébastien Brohier – Bariton
Isabelle Menke / Olivia Grigolli / Catriona Guggenbühl / Bettina Stucky / Carina Braunschmidt / Ueli Jäggi – Schauspieler
Solistes XXI / Rachid Safir – Einstudierung
Klangforum Wien
Beat Furrer – Leitung
Christoph Marthaler – Inszenierung
Duri Bischoff – Bühne
Sarah Schittek – Kostüme
Ursula Degen – Licht Design
Gerhard Alt – Regiemitarbeit/Produktionsleitung
Giuliano Betta – Musikalische Assistenz
David Cowan – Studienleitung
Ute Vollmar – Dramaturgie
Uraufführung Basel 15. März 2010
Der Kompositionsauftrag wurde gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung.
Eine Koproduktion von Theater Basel mit MaerzMusik | Berliner Festspiele und Wiener Festwochen, gefördert aus Mitteln der Kulturstiftung des Bundes
Mit Unterstützung von Réseau Varèse – European Network for the Creation and Promotion of New Music, gefördert durch das Programm Culture 2000 der Europäischen Union, sowie mit Unterstützung von Pro Helvetia und Chopard
In Zusammenarbeit mit Schaubühne am Lehniner Platz
Klangforum Wien wird gefördert von Erste Bank und Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten
Mitschnitt Deutschlandradio Kultur, Sendetermin 26. Juni 19.05 Uhr