Tanz
Gisèle Vienne & Étienne Bideau-Rey
Deutsche Erstaufführung
Uraufführung: 8. Februar 2020, ROHM Theatre Kyoto, in Zusammenarbeit mit DACM – Compagnie Gisèle Vienne
Showroomdummies #4 © Yuki Moriya
Performerinnen und lebensgroße Puppen – lebende Wesen und unbelebte Objekte also – treffen in Gisèle Viennes und Étienne Bideau-Reys Tanztheater-Performance „Showroomdummies #4“ aufeinander. Ausgehend von Weiblichkeit als einem sozialen Konstrukt und unserem verinnerlichten Verständnis davon untersucht die choreografische Studie kulturell bedingte Identitäten und deren Einfluss auf menschliche Beziehungen.
Ein kühler, heller Raum. Darin zwanzig angeblich weibliche Figuren, vom Publikum abgewandt, die Gesichter verborgen, ihre Körper in gebeugter Haltung erstarrt, jede von ihnen wie ein spezifisches Wort des choreografischen Vokabulars des Stücks. Nach und nach erheben sich einzelne aus der Menge dieser an Schaufensterpuppen erinnernden Gestalten. Die Choreografie in Zeitlupe ermöglicht, sonst ungesehene Momente zu erleben. Diese Wahrnehmungserfahrung ist im Dialog mit der Originalmusik von Peter Rehberg komponiert, einem Pionier der elektronischen Musik der 1990er-Jahre und Gründer des Kultlabels Editions Mego. Es ist eine Choreografie, die sich um die Ideen des Belebten und des Unbelebten, des Verkörperten und des Entkörperten, der An- und Abwesenheit mit Kälte und Sinnlichkeit dreht. Jede Aktion, jede Begegnung erforscht Identitäten und Machtverhältnisse in ihrer Struktur durch choreografische Gedanken als Semiotik der Körper, wobei dieses Zeichensystem eine Sprache ist, die mit äußerster Sorgfalt gelesen werden muss.
Seit über zwanzig Jahren zieht sich die Arbeit an „Showroomdummies“ wie ein roter Faden durch das Werk von Gisèle Vienne. Zusammen mit dem Künstler, Puppenspieler und Regisseur Étienne Bideau-Rey variiert und reinszeniert sie die Performance immer wieder neu – jede Version ist dabei ein eigenständiges Werk mit jeweils anderem Fokus. Ausgangspunkte der Recherche für die ursprüngliche, 2001 uraufgeführte Fassung waren die Novelle „Venus im Pelz“ von Leopold von Sacher-Masoch aus dem Jahr 1870 und mehr noch Gilles Deleuzes Analyse „Masochismus: Kälte und Grausamkeit“ von 1971 und seine Reflexion über die Kunst der Spannung, der Suspension und der Subversion. Als ästhetische Referenz für die Puppen in „Showroomdummies“ dienten Vienne und Bideau-Rey zudem japanische Horrorfilme. „Showroomdummies #4“, die jüngste Version in der Reihe, feierte 2020 am Rohm Theatre Kyoto Premiere, war 2021 beim Festival d’Automne im Pariser Centre Pompidou zu sehen und wird nun im Rahmen der Performing Arts Season präsentiert.
Artikulationsuntersuchungen und Grenzgänge zwischen den Disziplinen – Performance, Choreografie, Musik, Theater, Bildhauerei, Installation und Fotografie – kennzeichnen das Schaffen der französisch-österreichischen Künstlerin Gisèle Vienne, die Philosophie, Musik, Tanz, bildende Kunst und Puppenspiel studierte. Ihre Art und Weise, Zeichensysteme zu komponieren und sie als Sprachen zu betrachten, die sich aus unterschiedlichsten Formen zusammensetzen, ist das Herzstück ihrer langjährigen Arbeit an Wahrnehmungsrahmen. Es ist eine von der kritischen Phänomenologie inspirierte Denkmethode. Ihre Arbeiten sind gleichermaßen in Theatern und Tanzhäusern wie in Museen zu erleben und können als Konzept- oder Gesamtkunstwerke beschrieben werden. Während Licht, Raum und Klang wie Mitspieler fungieren, dient der ausgestellte Körper – der menschliche wie der der Puppe – als Ausgangspunkt einer subtilen und tiefgreifenden Erforschung unserer Wahrnehmung von sozialen Rollen und Beziehungen wie von Verborgenem, Eingeschriebenem und Verdrängtem. In „Showroomdummies“ hat Viennes ästhetische Untersuchung von Körper und Psyche und dem, was sie bewegt, eine bedeutende Verdichtung erfahren.
Gisèle Vienne, Étienne Bideau-Rey – Direktion, Choreografie, Bühnenbild
Peter Rehberg – Musik
Sho Takiguchi – Tongestaltung
Arnaud Lavisse, Patrick Riou – Lichtdesign
Kouichi Motoki – Licht
Nolwen Duquenoy – Inspizienz
Sophie Demeyer, Sakiko Oishi – Assistenz
Anne-Lise Gobin, Cloé Haas, Camille Queval – Produktion, Administration
Kentaro Wada, Miho Kawahara (ROHM Theatre Kyoto) – Produktion
Dank an Akiyoshi Nita, Theo Livesey, Nuria Guiu Sagarra
Chieko Asakura, Sakiko Oishi, Yoko Takase, Rei Hanashima, Ayaka Fujita, Megumi Horiuchi
Eine Produktion von ROHM Theatre Kyoto
Mit Unterstützung von Dance Reflections by Van Cleef & Arpels und der Agency for Cultural Affairs, Government of Japan, durch den Japan Arts Council
In Zusammenarbeit mit der DACM
In Kooperation mit dem Kyoto Art Center
Präsentiert von ROHM Theatre Kyoto / Kyoto City Music Art and Cultural Promoting Foundation
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