
Aufführung | Down to Earth
von Bruno Latour und Frédérique Aït-Touati, mit Duncan Evennou
„Ich möchte Ihnen vermitteln, wie es sich anfühlt, wenn unsere Art, die Erde zu begreifen, revolutioniert wird. Was macht das mit dem Bauch, dem Darm, dem Portemonnaie, dem Geist, der Intelligenz, der Moral. Was macht es mit dem Geschmack und der Abscheu vor dem Leben – und was mit der Hoffnung zu überleben.“ (Auszug aus „Moving Earths“)
Als Galileo Galilei im Jahr 1609 sein Teleskop in den Himmel richtete, entdeckte er Berge auf der Mondoberfläche. So wurde der Mond zu einer weiteren Erde und die Erde zu einem Stern unter vielen. Damit revolutionierte er die kosmische, aber auch die politische und soziale Ordnung seiner Zeit. Vier Jahrhunderte später werden Rolle und Position unseres Planeten einmal mehr auf den Kopf gestellt, und zwar durch neue Wissenschaften, die darlegen, wie menschliches Handeln unerwartete Reaktionen der Erde auslöst. Galileo lehrte uns, dass die Erde in Bewegung ist. Die Wissenschaftler*innen James Lovelock und Lynn Margulis entdeckten eine Erde, die auf andere Art und Weise „in Bewegung“ ist: Sie beschreiben einen Planeten, auf dem Raum und Zeit Produkte des Handelns von Lebewesen sind. Sie bringen uns dazu, ein neues Bild von der Welt und ein neues Verständnis des Kosmos zu entwickeln. Und wieder scheint die gesamte Organisation unserer Gesellschaft in Frage zu stehen.
Mussten wir im Jahr 1610 den Schock verkraften, dass „die Erde sich bewegt“, müssen wir 2020 die noch weitaus schockierende Erkenntnis akzeptieren, dass die Erde bebt und auf menschliches Handeln reagiert, und zwar in einem Maße, das sämtliche unserer Entwicklungsprojekte unterbricht.
Wir laden das Publikum ein, die Hypothese einer Parallele zwischen der Epoche der astronomischen Revolution und unserer eigenen zu teilen. Erleben wir gerade eine Transformation der Welt, die genauso tiefgehend und radikal ist wie die zu Galileos Zeiten? Eines ist sicher: Wir wissen nicht mehr genau auf was für einem Planeten wir leben oder wie wir ihn beschreiben sollen. Es handelt sich nicht um eine einzige, fixierte und stabile Erde, sondern um eine Vielzahl von Planeten, die vor uns liegen und die wir erforschen müssen, um zu wissen, auf welchem von ihnen wir landen sollen. „Moving Earths“ will ein genreübergreifender Brückenschlag zwischen Philosophie und Theater sein: Wir finden, dass er sehr gut in unsere heutige Zeit passt, in der eine neue Art des Nachdenkens über die Welt einhergeht mit neuen Darstellungsweisen von dieser Welt. Mit dieser Form eines Theaters des wissenschaftlichen Zeitalters beschäftigen wir uns gemeinsam seit über zehn Jahren.
Bruno Latour
Regie Frédérique Aït-Touati
Performer Duncan Evennou
Bühne Patrick Laffont DeLojo
Wissenschaftliche Beratung und Dokumente Sébastien Dutreuil, Jan Zalasievicz
Übersetzung Andrew Todd
Produktion Zone Critique Company
Mit der Unterstützung von Natural Addict Fund und Fondation Carasso