Tanz
AERIALS Ensemble
Pottporus e. V., Herne, Nordrhein-Westfalen
Selbstgespräche © privat
Im Tanzstück „Selbstgespräche“ beschäftigen sich acht Tänzer*innen mit zentralen Fragen zur eigenen Identität und Selbstwahrnehmung: Wer bin ich ohne die anderen? Wer bin ich in meiner Gruppe? Wer möchte ich sein? Und vor allem: Wer bin ich, wenn niemand zusieht?
Die Produktion beleuchtet die inneren Konflikte und Konfrontationen, die entstehen, wenn man sich mit dem eigenen Ich auseinandersetzt. Im Mittelpunkt stehen dabei Selbstgespräche – die inneren Dialoge, die oft unbewusst stattfinden und dennoch großen Einfluss auf unser Denken und Handeln haben. Diese inneren Stimmen verbinden bewusste Gedanken mit unbewussten Überzeugungen, Einstellungen und Emotionen. Sie helfen uns, Situationen zu bewerten, Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Das Stück zeigt, wie diese Selbstgespräche auf der Bühne sichtbar und erfahrbar werden und was passiert, wenn die innere Stimme von Zweifeln und negativen Gedanken geprägt ist.
Die Tänzer*innen machen diese Auseinandersetzung mit sich selbst durch Bewegung, Ausdruck und Körpersprache eindrucksvoll sicht- und erfahrbar. Das Tanzstück lädt das Publikum ein, in die Welt des inneren Erlebens einzutauchen und über die Bedeutung von Selbstreflexion, Selbstzweifel und innerer Stärke nachzudenken. So entsteht ein sensibles und kraftvolles Bild vom Kampf mit der eigenen inneren Stimme.
Jurykommentar von Daniela Rodriguez Romero
Dunkelheit. Schwarze Mauern. In Schwarz gehüllte Körper und Gesichter bewegen sich lautlos davor. Ein Schrei. Ein Aufbrechen. Ein tastender Versuch, zu entkommen …
Mit „Selbstgespräche“ ist dem AERIALS-Ensemble aus Herne ein eindrucksvolles, tief bewegendes Tanztheaterstück gelungen. Es widmet sich einem Phänomen, das uns alle und vor allem auch viele junge Menschen betrifft – und über das dennoch selten gesprochen wird: den inneren Dialogen, dem gedanklichen Kreisen, dem ungeteilten Ringen mit sich selbst.
Die Bühne wird zum Resonanzraum für das Unsichtbare. Die schwarzen Wände, auf die die Tänzer*innen zurennen, sind mehr als nur Kulisse – sie wirken als physische Metapher für mentale Barrieren. Besonders bemerkenswert ist dabei der Umgang mit dem Raum: Es gibt keine Markierungen, keine klaren Vorgaben. Und doch findet das Ensemble mit großer Koordination und klugem Einsatz von Requisiten seinen Weg – tänzerisch, körperlich, erzählerisch.
Was wir erleben, ist eine authentische und künstlerisch durchdrungene Auseinandersetzung mit einem Thema, das tief in der Lebenswirklichkeit der Ensemblemitglieder verankert ist – und dem sich das Ensemble mit großer Offenheit, forschender Neugier und dem mutigen Teilen eigener Gedanken- und Selbstgespräche angenähert hat. Was wir auf der Bühne sehen, ist ein Spiegel innerer Kämpfe. Ein Ventil für das Unausgesprochene. Ein Aufruf, genau hinzusehen und zuzuhören! Die Choreografie verhandelt das Getriebensein durch innere Gedanken, das Ringen um Klarheit, die Abgrenzung der Innenwelt – und was passiert, wenn diese Gedankenwelten auf reale Begegnungen treffen.
„Selbstgespräche“ bleibt in seiner Dramaturgie klar und nachvollziehbar. Die Entwicklung von düsteren, bedrängenden Bildern hin zu einem offeneren, beinahe hoffnungsvollen Ton ist schlüssig und wirkt nie aufgesetzt. Das Ensemble erlaubt sich, emotional zu sein und zeigt Stärke – ohne dabei zu verhärten. Und es bleibt bei seinem Thema: dem Einfluss innerer Stimmen auf unser Denken, Fühlen und Handeln – in all seinen Facetten.
„Selbstgespräche“ ist ein Stück, das herausfordert, berührt und bestärkt. Es ist ein sehr physisches und stilistisch vielseitiges Stück, das die künstlerische Kraft und Ausdrucksstärke junger Menschen eindrucksvoll unter Beweis stellt. Eine bemerkenswerte Leistung, die wir als Jury mit großer Anerkennung würdigen.
Elisa Aydin, Camila Carvalheiro Busz, Paul Konrad Eikmeier, Anna Ekwueme, Thandie Kröger, Zondiwe Kröger, Karina Lakgaj, Eva Theologou
Miracle Laackmann – Choreografie
Jacqueline Neuenhausen – Choreografische Assistenz, Ensembleleitung