Konzert
Wir müssen draußen blasen! So war es in 1964: die Original Tuxedo Jass Band aus New Orleans gehörte nicht in die Philharmonie sondern in den Prälat Schöneberg, befand der damalige „brassed off“ Zeitgeist im Programmheft. Das wurde später dann etwas legerer gehandhabt und die Konkurrenz vom heimischen Congo Square, die Young Tuxedo Brass Band, durfte 1980 mit „klingendem Spiel“ und Grand Marshall vorneweg die Philharmoniebühne entern: „Focus on the South“. Pianist und Kanzler Helmut Schmidt war begeistert.
Die aktuellen ’Ambassadors’ um den Sousaphon-Weltmeister Matt Perrine sind eine Art leichte Übersee-Version der an sich schon recht mobilen New Orleans Nightcrawlers. Sie bilden als Vorhut (auf französisch: avant-garde) im Foyer die Glasur auf dem musikalischen Geburtstagskuchen.
Die Ära der Tenor-Giganten scheint unwiederbringlich vorbei. Nur noch Wenige beherrschen das Tenorsaxofon heute so souverän wie Bennie Wallace. Mit Fulminanz und Intensität verinnerlicht er Coltrane und Rollins, geschmeidig und kontrolliert abstrahiert er in seinem Spiel aber auch Lester Young, Charlie Parker und Eric Dolphy. Als Bandleader und Improvisator seit den Siebzigern auf den Festivals der Welt gefragt, widmete er sich nach 1990 mehr der Filmmusik.
Seit er spielen kann, betont Wallace, genoss Coleman Hawkins eine Sonderstellung in seinem musikalischen Bewusstsein, aber erst in den letzten Jahren setzt sich dieser Einfluss mit voller Kraft durch. Hawkins allein ist es zu verdanken, dass das Tenorsax sich im Konzert der Saxofone nicht nur emanzipieren konnte, sondern dass es den Jazz über mehrere Dekaden dominierte. Am 21. November dieses Jahres würde er seinen hundertsten Geburtstag feiern.
Wie gehen wir mit dem Nachlass des 20. Jahrhunderts um? Verschließen wir ihn sicher hinter dicken Vitrinen oder feiern wir mit ihm ein ausgelassenes Fest? Mit ihrem Fats Waller Projekt anlässlich dessen hundertsten Geburtstags entscheidet sich die Pianistin Aki Takase unzweifelhaft für die zweite Variante. Waller, der nicht einmal 40 wurde, gehört zu den einflussreichsten Pianisten der Zwanziger bis Vierziger. Sein Humor war legendär, sein Einfallsreichtum ohne Vergleich, und ganz nebenbei führte er auch noch die Hammondorgel im Jazz ein. Aki Takase folgt Wallers Fährten aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts. Sie würzt seine Originale mit Stücken aus eigener Feder, gern auch mit einer Prise Schlager-Seligkeit versetzt, und holt sich die wichtigsten Heim-Spieler ihrer musikalischen Tafelrunde in Berlin; dazu den „Dr. Demento auf der Gitarre“, das geniale Gesamtkunstwerk Eugene Chadbourne, bekannt durch Shockabilly und Camper van Chadbourne-Skurrilitäten, und versieht ihre Hommage an Fats Waller mit dem Slapstick-Potential alter Filme von Buster Keaton und Harold Lloyd.
Matt ‘Tubop’ Perrine – sousaphone
Rick ‘Neslort’ Trolsen – trombone
Eric Lucero – trumpet
Jason Mingledorff – tenor sax
Kerry ‘Fatman’ Hunter – snare drum
Cayetanio Hingle – bass drum
Bennie Wallace – tenor sax
Terrell Stafford – trumpet
Ray Anderson – trombone
Brad Leali – alto sax
Jesse Davis – alto sax
Adam Schroeder – baritone sax
Donald Vega – piano
Danton Boller – bass
Alvin Queen – drums
Aki Takase – piano, toypiano
Eugene Chadbourne – vocals, banjo, guitar
Rudi Mahall – bass clarinet
Thomas Heberer – trumpet
Paul Lovens – drums