Konzert
Wir müssen draußen blasen! So war es in 1964: die Original Tuxedo Jass Band aus New Orleans gehörte nicht in die Philharmonie sondern in den Prälat Schöneberg, befand der damalige „brassed off“ Zeitgeist im Programmheft. Das wurde später dann etwas legerer gehandhabt und die Konkurrenz vom heimischen Congo Square, die Young Tuxedo Brass Band, durfte 1980 mit „klingendem Spiel“ und Grand Marshall vorneweg die Philharmoniebühne entern: „Focus on the South“. Pianist und Kanzler Helmut Schmidt war begeistert.
Die aktuellen ’Ambassadors’ um den Sousaphon-Weltmeister Matt Perrine sind eine Art leichte Übersee-Version der an sich schon recht mobilen New Orleans Nightcrawlers. Sie bilden als Vorhut (auf französisch: avant-garde) im Foyer die Glasur auf dem musikalischen Geburtstagskuchen.
Schade, dass der Begriff das 'Dynamische Duo' schon an Batman und Robin vergeben wurde. In die Programmfindungsphase – Richard Gallianos New York Trio war schon ‘dingfest gemacht’, – platzte Concerts, die live-CD Michel Portals mit Richard Galliano.
Wer kann einem solch ungewöhnlichen, ergreifenden Stück Duo-Kultur widerstehen, wenn sich diese Verklärung anbietet: Richard Galliano hatte im Abschiedsjahr von George Gruntz als künstlerischer Leiter gerade sein Trio mit Daniel Humair und J.F. Jenny-Clark (beim Festival von Anthony Cox ersetzt) gegründet und gehörte am letzten Festival-Abend der Gruntzschen Ägide quasi zu dessen musikalischem Vermächtnis. Die Wunschliste Albert Mangelsdorffs im darauffolgenden Jahr (‘95) wurde angeführt von Michel Portal… Zugegeben, Jahrestage machen sentimental – und doch auch ein wenig stolz: JazzFest Berlin präsentiert „proudly“: Le duo dynamique!
Die NDR Bigband unter Dieter Glawischnig ist das ’diplomatische ARD-Corps’ am Beginn des Band-Defilees zum 40er-Jubiläum. In ihr verkörpert sich der von George Gruntz in dessen Ägide so häufig geforderte „kreative Imperativ“ besonders eindrucksvoll. Zwar experimentiert auch dieses Ensemble mit allen Schattierungen kompakter Sounds, die einer Big Band zur Verfügung stehen, doch baut kaum eine andere Big Band ihren Klang so konsequent auf den individuellen Stärken ihrer Mitglieder auf. Namen wie Christof Lauer, Claus Stötter, Reiner Winterschladen, Stefan Lottermann und Vladyslav Sendecki sprechen für sich. Die Abenteuerlust der Band bestimmt und trägt das Repertoire.
Es lag auf der einladenden Hand, dieses „Spielzeug“ den beiden langjährigen künstlerischen Leitern des Jazzfests, George Gruntz und Albert Mangelsdorff zum Mitfeiern zu überlassen – zumal beide mit der Band bestens vertraut sind. Womit der Begriff der „Berlin Dreamband“ ad hoc eine hanseatische Variante bekommt.
Bei Akkordeon und Mundharmonika vibriert die Luft – im technischen wie im übertragenen Sinne. So ergänzen sich die Temperamente des französischen Akkordeon-Wizards Richard Galliano und des belgischen Mundharmonika-Sophisten Toots Thielemans aufs Trefflichste.
Galliano arbeitete für Juliette Greco und Charles Aznavour, bevor er sich nach 1980 dem Jazz zuwandte. „New Musette“ nennt er seinen Stil-Mix, Anstifter hierzu war „New Tango“ Erfinder Astor Piazzolla. Aktuellste Wegmarke seiner Karriere: das New York Trio.
„Man Bites Harmonica“: Mit 82 Jahren ist Toots Thielemans nicht nur eine lebende Legende des europäischen Jazz, er ist der ’Elder Statesman’ der Jazz-Internationale. Am wohlsten fühle er sich in der „kleinen Zone zwischen einem Lächeln und einer Träne“, so seine kokette Selbstbescheidung. Seit 1995 und dem Album Laurita kennen sich Galliano und Thielemans und wollen nach dem Berliner Intermezzo im Frühjahr 2005 eine gemeinsame Tournee anschließen lassen.
Seit dreißig Jahren entkräftet Willem Breuker erfolgreich das Vorurteil, Jazz sei eine ernste Angelegenheit. Dennoch wäre es voreilig, den holländischen Puristen-Schreck auf seinen schrillen Humor zu reduzieren. Seine Musik hat alles, was die europäische Tradition über die Lager hinweg zu bieten hat. Marsch und Moritat, Proletarisches und Prozession, Blasmusik und Blasphemie, Krawall und Kabarett, und über allem unüberhörbar Kurt Weill. Zuvor Mitglied beim Instant Composers Pool und im Globe Unity Orchestra, gründete Breuker 1974 sein „ganz demokratisches, eigentlich sozialistisches“ Kollektief, um seiner Affinität zum Musiktheater nachzugehen. Auf der CD With Strings Attached hat der „MenschenMusik“-Erfinder und Chef-Exzentriker seine gesammelten ’Streiche mit Streichern’ im Reich der Musik des 20. Jahrhunderts dokumentiert, unter anderem mit einer fulminanten Version von George Gershwins Rhapsody In Blue, vor 80 Jahren komponiert. „Zutreffendes bitte streichen“ wäre ein Motto, das Willem ‚Uilenspiegel‘ gefallen könnte.
Matt ‘Tubop’ Perrine – sousaphone
Rick ‘Neslort’ Trolsen – trombone
Eric Lucero – trumpet
Jason Mingledorff – tenor sax
Kerry ‘Fatman’ Hunter – snare drum
Cayetanio Hingle – bass drum
Michel Portal – soprano sax, clarinet, bandoeon
Richard Galliano – accordion
Leitung Dieter Glawischnig, George Gruntz, Albert Mangelsdorff
Peter Bolte, Fiete Felsch alto sax
Lutz Büchner, Christof Lauer tenor sax
Frank Delle tenor + bariton sax, clarinet, bass clarinet
Reiner Winterschladen, Ingolf Burkhardt, Claus Stötter, Lennart Axelsson – trumpet
Jose Gallardo, Dan Gottshall, Ingo Lahme, Stefan Lottermann – trombone
Stephan Diez – guitar
Marcio Doctor – percussion
Lucas Lindholm – bass
Vladyslav Sendecki – piano
Danny Gottlieb – drums
Richard Galliano – accordion
Scott Colley – bass
Clarence Penn – drums
Toots Thielemans – harmonica
Willem Breuker – saxophones, clarinets
Hermine Deurloo – saxophones, harmonica
Maarten van Norden – saxophones
Boy Raaymakers – trumpet
Andy Altenfelder – trumpet
Andy Bruce – trombone
Bernard Hunnekink – trombone, tuba
Arjen Gorter – bass
Henk de Jonge – piano
Rob Verdurmen – percussion
EastPark Strings
Arlia de Ruiter – violin
Sarah Koch – violin
Herman van Haaren – violin
Alison Isodora – violin
Aimee Versloot – viola
Norman Jansen – viola
Susanne Degerfors – cello
Pascal Went – cello