Konzert
Assoziationen wie „Good Vibrations“ oder „Es liegt was in der Luft!“ sind wohlfeil. Wenn Michael Riessler, Howard Levy und Jean-Louis Matinier aufeinandertreffen, meint man die Zirkulation von Luft sofort physisch zu spüren. Nicht nur, dass die drei Musiker Moleküle ansaugen, komprimieren und erneut in Bewegung versetzen – Luft ist für sie gleichermaßen ein Synonym für Raum, Licht und individuelle Freiheit.
Aus drei unterschiedlichen musikalischen Traditionen kommend, haben sich der Deutsche, der Franzose und der Amerikaner der unerträglichen Leichtigkeit des Klanges verschrieben, ohne es dabei an Gravitation mangeln zu lassen. Riessler ist eine Art moderner Renaissance-Mensch, der in sich ein ganzes Universum von Spielhaltungen, Traditionen sowie Klang- und Formauffassungen bündelt. Akkordeon-Allrounder Matinier vereint in seinem Spiel unprätentiös Jazz, Weltmusik und europäische Klassik. Levy, nach Toots Thielemans der unangefochtene Kronprinz auf der diatonischen Mundharmonika, vermittelt elegant zwischen Country, Blues, Tango und Ambient. Mit seiner „Total Music“ greift das Trio auf Prinzipien der imaginären Folklore, Jazz-Avantgarde, Varieté-Musik und des Blues zurück.
Als im Jahre 1913 das Tangofieber ganz Europa erreichte, verfiel eine ganze Nation im hohen Norden diesem Virus – der zu einer eigenständigen finnischen Mutation reifte – und bis auf den heutigen Tag hat man im kühlen Finnland ein Faible für tropische Klänge. So verwundert es auch nicht, wenn Regisseur Mika Kaurismäki nach Moro no Brasil bereits seinen zweiten Dokumentarfilm, dieses Mal über den Choro, den ältesten authentischen urbanen Musikstil Brasiliens drehte (Forum Berlinale 2005). Ende des 19. Jahrhunderts bildete sich Choro in Rio als Mischform aus europäischer Melodik und afro-brasilianischen Rhythmen heraus. Auf dieser Grundlage entstanden im 20. Jahrhundert erst Samba, dann Bossa Nova, die den Choro eine Zeit lang zu verdrängen schienen. Inzwischen erfreut sich Choro jedoch wieder wachsender Beliebtheit, sowohl in Konzertsälen als auch auf der Straße und in Kneipen. Kaurismäkis Brasileirinho malt ein lebendiges Bild von der Geschichte und aktuellen Vitalität dieses südamerikanischen Jazz-Pendants. Direkt der Leinwand entsprungen – Live, Ao Vivo also, kommen nun einige der virtuosesten Protagonisten des Streifens nach Berlin.
Um das Trio Madeira Brasil, eine der bekanntesten Choro-Formationen Brasiliens, gruppiert sich eine Band der Superlative, unter ihnen Posaunist Zé da Velha und Silvério Pontes, Trompete, beide Integrationsfiguren dieser Musik, und der junge Gitarren-Gaúcho Yamandú Costa, dessen quecksilbrig-stupende Technik ein nächstes Kapitel in Sachen Brazil-Jazz verheißt.
Michael Riessler – bass clarinet, clarinet
Howard Levy – piano, harmonica
Jean-Louis Matinier – accordion
Ronaldo do Bandolim – mandolin
Zé Paulo Becker – guitar
Marcello Gonçalves – 7 string guitar
Yamandú Costa – 7 string guitar
Silvério Pontes – trumpet
Beto Cazes – percussion