Konzert
KIM Collective, Anthony Braxton, Marc Ribot Quartet © Daniela Imhoff, Peter Gannushkin, Chrigel Dietrich
Eine multimediale „Fungus Opera“ des Kim Collective, eine Kostprobe von Braxtons jüngstem Kompositionssystem „ZIM Music“ und Marc Ribots neues Quartett formen einen vielschichtigen, abwechslungsreichen Abschlussabend des diesjährigen Festivals.
Creation
Das KIM Collective ist der Fungus des Jazzfest Berlin. Nach ihrer Performance in der Unterbühne des Berliner Festspielhauses beim Jazzfest 2018 quillt es nun aus allen Ritzen des Festspielhauses empor auf die Große Bühne. Die 13 Musiker*innen und einige Gäste präsentieren in der Carte Blanche eine facettenreiche Performance aus eigens dafür geschaffenen Kompositionen in Kombination mit Improvisationen, Live-Surround-Elektronik, choreografischen Elementen, gesprochenen sowie gesungenen Texten, ausgeklügeltem Lichtdesign und Multi-Screen-Videoprojektionen. Das „Mass of Hyphae“-Leitthema wird von den einzelnen KIM-Collective-Mitgliedern individuell verkomponiert und im Vorfeld geführte Interviews werden elektronisch verarbeitet. Das Ganze wird vom über mehrere Festivaltage wachsenden „Garden of Hyphae“ im Foyer des Festspielhauses umrahmt.
Seit 2013 arbeiten die Musiker*innen des KIM Collective mit Konsequenz und Dringlichkeit an ihrem Entwurf einer genreübergreifenden, entschubladisierten und inklusiven Improvisations- und Kompositionsmusik. Fünf Jahre konstanten KIM-Umtriebs in Neukölln führten zu einer Konzertreihe und fünf Festivals, und damit zu fast 100 Konzerten mit Musiker*innen aus 20 Ländern. 2019 zieht das KIM Collective zum zweiten Mal nach Charlottenburg und setzt sein Schaffen in den heiligen Hallen der Hochkultur fort. Mit schonungsloser akustischer Subversion, Masken, Installationen, und: Party.
Der legendäre Instrumentalist, Komponist, Musikdidakt und Denker Anthony Braxton findet, seit er sich 1966 Chicagos Association for the Advancement of Creative Musicians angeschlossen hat, kontinuierlich neue Wege des musikalischen Ausdrucks. Gemeinsam mit einem außergewöhnlich besetzten Septett präsentiert er nun sein jüngstes Kompositionsprinzip „ZIM Music“. Seit mehreren Jahrzehnten arbeitet Braxton an seinem dynamischen System einer „language music“– bestehend aus zwölf Kategorien bzw. Parametern, die für seine Kompositionen von zentraler Bedeutung sind. „ZIM Music“ orientiert sich an Nummer elf: „gradient formings“, wobei in diesem Fall Lautstärke und Intensität im Vordergrund stehen. Braxton und die Mitglieder seines Ensembles können innerhalb solcher Prinzipien aber immer auch aus dem reichen kompositorischen Schatz seines umfangreichen Œuvres schöpfen – dem Repertoire seiner „Ghost Trance Music“ etwa oder dem epischen „Trillium“-Opernkomplex. Bei der Aufführung kommen grafische Partituren zum Einsatz, die oft gebogene Linien in verschiedenen Farben darstellen und dabei auf Dynamik, Klangfarbe und Tonhöhe verweisen. „ZIM Music“ ist zwar ein relativ junger Ansatz in Braxtons musikalischer Welt, aber im dichten, vielschichtigen Resultat scheint seine Handschrift ebenso unverkennbar durch wie in den von Freude, Erregung und Schmerz geprägten Melodielinien, die er als Interpret beisteuert.
Marc Ribots dreckiger, scharfkantiger Gitarrensound hat sich über die Jahrzehnte hinweg in diversen Settings – sowohl in Formationen, in denen Ribot als Gastmusiker bei Tom Waits, Elvis Costello oder John Zorn spielte, als auch in seinen eigenen Projekten – als unverwechselbar erwiesen. Doch erst seitdem er sich verstärkt improvisationsbasierten Kontexten zugewandt hat, ist Ribots Spiel spürbar von politischem Bewusstsein geprägt. 2018 erweckte er mit Musiker*innen wie Steve Earle und Meshell Ndegeocello klassische Protestsongs zu neuem Leben, und auch in seiner neuen Formation bezieht er sich stark auf das nordamerikanische Folk-Repertoire – unter anderem auf die Musik von Ribots früherem Mentor, dem haitianischen Komponisten Frantz Casséus, und auf die bissigen Lieder von Woody Guthrie –, wobei er Bruchstücke dieser Melodien abstrahiert und sie in spannungsgeladene Gruppenarrangements verwandelt. Bei seinem Jazzfest-Berlin-Debüt präsentiert er sein neues Quartett, zu dem der Schlagzeuger Chad Taylor (der mit Ribot eine Bearbeitung der Musik von Albert Ayler erstellte), der erfahrene und vielseitige Multiinstrumentalist Jay Rodriguez (Groove Collective) sowie der junge Bassist Nick Dunston gehören.
19:00
The Mass Of Hyphae – a KIM Collective Fungus Opera Creation
KIM Collective:
Max Andrzejewski, Paul Berberich, Brad Henkel, Simon Kanzler, Liz Kosack, Raphael Meinhart, Dora Osterloh, Otis Sandsjö, Max Santner, Dan Peter Sundland, Laura Winkler
Georg Schütky – stage director
Jonas Hinz – sound
Daniela Imhoff – video
Irene Selka – light
Pause
20:45
Anthony Braxton’s ZIM Music (USA)
Anthony Braxton – alto sax, soprano sax, sopranino sax
Ingrid Laubrock – tenor sax, baritone sax
Erica Dicker – violin
Adam Matlock – accordion
Jacqueline Kerrod – harp
Brandee Younger – harp
Dan Peck – tuba
Pause
22:30
Marc Ribot feat. Dunston/Rodriguez/Taylor (USA)
Marc Ribot – guitar
Nick Dunston – bass
Jay Rodriguez – sax, flute
Chad Taylor – drums
Anthony Braxton’s ZIM Music ist gefördert durch