Konzert
Borderlands Trio // Ben LaMar Gay Ensemble // Supersonic Orchestra © Jimmy Katz, Alejandro Ayala, Harald Opheim
Die komplett improvisierten Exkursionen des New Yorker Borderlands Trio leiten über zu den eklektischen Songs des Kornettisten Ben LaMar Gay aus Chicago. Der norwegische Schlagzeuger Gard Nilssen beschließt den Abend mit seiner energetischen Big Band, die mit dem Who is who des modernen skandinavischen Jazz für Furore sorgt.
18:00
(US, CA)
Die Pianistin Kris Davis, der Bassist Stephan Crump und der Schlagzeuger Eric McPherson gehören zu den spannendsten Musiker*innen des Post-Bop. Alle drei sind für ihre ausgedehnten, zwingenden Soli im Rahmen loser kompositorischer Strukturen bekannt, die das Publikum gleichermaßen in ihren Bann ziehen wie sie dem musikalischen Erzählfluss des jeweiligen Ensembles dienen. In ihrer Zusammenarbeit als Borderlands Trio improvisieren sie von Grund auf. Wenngleich viele Musiker*innen diesen Ansatz verfolgen mögen, haben nur wenige improvisierende Bands einen so einzigartigen, kraftvollen Fokus. Die vier Stücke auf ihrem grandiosen, 2021 erschienenen Doppelalbum „Wandersphere“ sind jeweils ganze 20 bis 41 Minuten lang, doch tun sie sich in jeder Sekunde durch den skulpturalen Klangentwurf und eine abstrakte, kinematisch anmutende Erzählhaltung hervor. Crump, bekannt vor allem durch seine Zusammenarbeit mit dem Pianisten Vijay Iyer, nutzt die symbiotischen Beziehungen zwischen Pilzen und anderen Lebensformen im Wald als Metapher für die vielschichtigen Klangwelten, die er mit Davis und McPherson heraufbeschwört, wobei sich letzterer als meisterhafter Kolorist und Klangkünstler erweist. Und obwohl die Musik des Trios fest in der Jazztradition verankert ist, verzichten sie auf idiomatische Konventionen, wenn sie ihre klar konturierten, gleichermaßen wildwüchsigen wie rauen klanglichen Landschaften entwerfen.
Stephan Crump – Kontrabass
Kris Davis – Klavier
Eric McPherson – Schlagzeug
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19:15
(US, IT)
Ganz gleich, auf welchem Instrument er spielt, wie er sich dabei stilistisch verortet und ob er seine Stimme einsetzt oder nicht: Ben LaMar Gay ist und bleibt ein Geschichtenerzähler. Bekannt ist er vor allem für sein eindringlich gefühlvolles Kornett-Spiel, doch kann in seinen Händen nahezu alles zu einem Mittel musikalischen Ausdrucks werden. Ben LaMar Gay ist Mitglied der Chicagoer AACM (Association for the Advancement of Creative Musicians) und beschäftigte sich mehrere Jahre mit den Klangwelten und der Kultur Brasiliens. Generell scheint er die klangliche Essenz jedes Ortes aufzusaugen, an den er sich begibt, und in sein sich stets erweiterndes ästhetisches Repertoire zu integrieren. Sein letztjähriges Album „Open Arms to Open Us", eine alchemistische Mischung aus Post-Bop, Soul, Gospel, karnevalesker Musik und Blues, die sich kaum kategorisieren lässt, bietet einen beeindruckenden Rundumschlag seines bisherigen musikalischen Schaffens. Dabei fügt er jeder seiner Mixturen eine Zutat bei, die sie einzigartig macht. Obwohl Ben LaMar Gay fast jedes Stück des Albums individuell besetzt hat, mit Konstellationen von Musiker*innen, die ganz auf die spezifischen Anforderungen der einzelnen Kompositionen zugeschnitten sind, wirken die insgesamt sechzehn musikalischen Exkursionen des Albums wie aus einem Guss. Für sein Berlin-Debüt hat er ein Quartett aus bestens vertrauten Mitstreitern zusammengestellt, um seine musikalische Vision weiter zu verdichten.
Ben LaMar Gay – Kornett, Synth, Gesang
Edinho Gerber – Gitarre
Matt Davis – Tuba, Gesang
Tommaso Moretti – Schlagzeug
Zum Videointerview mit Ben LaMar Gay im Digital Guide „Outside Traditions“
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21:30
(DK, NO, PL, SE)
Dass er zu Recht als einer der großen zeitgenössischen Bandleader des Jazz gehandelt wird, beweist der Schlagzeuger Gard Nilssen stets aufs Neue mit seinem vor Energie strotzenden Supersonic Orchestra, auch wenn er sich bereits mit früheren Projekten wie Puma, Cortex oder den immer noch aktiven Trio-Formationen Bushman’s Revenge und Acoustic Unity einen Namen gemacht hat. Mit ihrem Album „If You Listen Carefully the Music is Yours“ (2020) holt die Bigband-Formation das Feuer und den rhythmischen Drive des frühen Free Jazz in die Gegenwart. Es fußt auf einer ebenso kraft- wie gefühlvollen Ästhetik, an der Nilssen über zwei Jahrzehnte gefeilt hat – und der Albumtitel verrät einiges über das Verständnis des Bandleaders von Musik als Lebenselixier. Selbst in seinen wagemutigsten Arrangements gibt es Momente, in denen sowohl diese existenzielle Auffassung als auch eine ausgelassene Energie zum Vorschein kommen. Nicht zuletzt deshalb haben Stücke wie das Medley „Bøtteknott /Elastic Circle“, das zugleich eine fröhliche Hommage an Chris McGregors Bigband Brotherhood of Breath und den frühen Jan Garbarek darstellt, eine einzigartige Wirkung. Beim Schreiben und Arrangieren des Albums wurde Nilssen von dem Acoustic Unity-Saxofonisten André Roligheten unterstützt, wobei sie einige Instrumente doppelt oder dreifach besetzt haben. Ingebrigt Håker Flaten, Ole Morten Vågan und Petter Eldh spielen alle Bass, während der Bandleader von Hans Hulkbækmo und Håkon Mjåset Johansen am Schlagzeug unterstützt wird – ein Ansatz, der in Anbetracht der feurigen Energie der Bläser-Section und der Durchlässigkeit der Arrangements durchaus sinnvoll erscheint. Zum Finale des diesjährigen Jazzfest Berlin gibt die Gruppe ihr Berlin-Debüt.
André Roligheten – Saxofone, Bassklarinette, Perkussion
Otis Sandsjö – Saxofone, Perkussion
Kjetil Møster – Saxofone, Perkussion
Maciej Obara – Altsaxofon, Perkussion
Mette Rasmussen – Altsaxofon, Perkussion
Per “Texas” Johansson – Tenorsaxofon, Kontrabassklarinette, Klarinette, Perkussion
Signe Emmeluth – Saxofon, Perkussion
Thomas Johansson – Trompete, Perkussion
Goran Kajfeš – Trompete, Perkussion
Guro Kvåle – Posaune, Perkussion
Erik Johannessen – Posaune, Perkussion
Petter Eldh – Kontrabass, Perkussion
Ingebrigt Håker Flaten – Kontrabass, Perkussion
Ole Morten Vågan – Kontrabass, Perkussion
Hans Hulbækmo – Schlagzeug, Perkussion
Håkon Mjåset Johansen – Schlagzeug, Perkussion
Gard Nilssen – Schlagzeug, Perkussion
Jørgen Brennhovd – Sounddesign