Musiktheater
Zwar sind kulturübergreifende Musikprojekte zunehmend angesagt, doch häufig enden sie in klischiertem Exotismus. Nicht so bei der in Berlin lebenden Schweizer Komponistin Mela Meierhans. Wenn sie sich an solche Grenzüberschreitungen wagt, reiben sich musikalische Welten elektrisierend aneinander. So schuf sie 2006 mit Tante Hänsi, dem ersten Teil ihrer Jenseitstrilogie über Totenklagen, aufgeführt bei MaerzMusik 2007, ein Werk, in dem sie artifiziellen Gesang mit Schweizer Jodel kontrastierte – ein Ohrenöffner für beide Genres. In Rithaa – Ein Jenseitsreigen geht sie einen Schritt weiter. In diesem zweiten Teil der Trilogie lässt sie nicht nur zeitgenössische europäische Musik auf zeitgenössische arabische Musik treffen, sondern komponiert – in Zusammenarbeit mit der palästinensischen Komponistin Kamilya Jubran – einen sensiblen Austausch zwischen Orient und Okzident. Das Fundament der kompositorischen Begegnung sind Tonreihen, hergeleitet aus den Buchstaben des lateinischen und arabischen Alphabets. Da es noch immer häufig Sache der Frauen ist, Tote zu beklagen, steht im Zentrum von Rithaa, das sich arabischen Klagegesängen und Trauerritualen widmet, die Frauenstimme. Genau genommen drei Sängerinnen: die im arabischen Raum vor allem als Sängerin bekannte Kamilya Jubran, die deutsche Mezzo-Sopranistin Leslie Leon sowie Nawal Noah, eine ägyptische Klagefrau, die aber nicht auf der Bühne präsent ist, sondern in einer Filmprojektion (von Sandra Gysi und Ahmed Abdel Mohsen). Die drei Frauen stehen für verschiedene Klangtraditionen, in ihren Stimmen vermischt sich die arabische mit der europäischen Musikwelt. So vielfältig das Tonreich, so babylonisch das Sprachengewirr. Basierend auf Texten zeitgenössischer arabischer Dichter, der legendären vorislamischen Poetin Al-Khansa sowie der amerikanischen Philosophin Judith Butler rezitieren und singen die drei Frauen auf Arabisch, Deutsch und Englisch. Musikalisch werden sie unterstützt vom ensemble dialogue, für die Konzeption des Raumes sind verantwortlich Martin Müller (Licht/Bühnenbild), Charlotte Frisch (Choreografie), Thea van Woland (Visual Arts). In Auftrag gegeben wurde nach dem Teil I nun auch der Teil II der Jenseitstrilogie vom Gare du Nord, Bahnhof für Neue Musik in Basel. Die Durchführung wird als Koproduktion des Gare du Nord mit dem Festival MaerzMusik und in Zusammenarbeit mit Pro Helvetia Kairo realisiert. Gefördert wird Rithaa – Ein Jenseitsreigen durch die Kulturstiftung des Bundes und die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia.
Mela Meierhans
Rithaa – ein Jenseitsreigen II
Arabische Klagegesänge und Trauerrituale mit Kamilya Jubran und ensemble dialogue
(2010) UA/AW Gare du Nord Basel
Texte von Al-Khansa, Judith Butler, Birago Diop, Salman Masalha, Hassan Najmi
ensemble dialogue und Gäste
Kamilya Jubran – Gesang/Oud
Leslie Leon – Mezzosopran
Anna Spina – Viola | Claudia Eigenmann – Violoncello
Cristin Wildbolz – Kontrabass | Meinrad Haller – Klarinetten
Diane Eaton – Horn/Alphorn | Anita Kuster – Posaune/Alphorn
Françoise Rivalland – Perkussion/Santur
Mela Meierhans – Musikalische Leitung
Mela Meierhans – Komposition/Künstlerische Leitung
Kamilya Jubran – Komposition/Gesang/Oud
Sandra Gysi / Ahmed Abdel Mohsen – Film
Thea van Woland – Visual Arts
Charlotte Frisch – Choreographische Einrichtung
Ina Boesch – Dramaturgie
Regina Lorenz – Kostüme
Martin Müller – Raum/Licht
David Buser – Technische Leitung/Licht
Desirée Meiser – Szenische Beratung
Hebba Sherif / Maysoon Mahfoudh – Wissenschaftliche Beratung
Johanna Schweizer / Ursula Freiburghaus – Projektleitung
Eine Koproduktion von Gare du Nord/Bahnhof für Neue Musik Basel und
MaerzMusik | Berliner Festspiele, gefördert durch Kulturstiftung des Bundes und Pro Helvetia
In Zusammenarbeit mit Haus der Kulturen der Welt und Pro Helvetia Kairo
Texte mit freundlicher Genehmigung von Suhrkamp Verlag und Verso Books
Die Ausstattung wurde in den Werkstätten des Gare du Nord hergestellt.