Konzert & binauraler Audio-Livestream | Éliane Radigue

Éliane Radigue: The Electronic Works 12

Les Chants de Milarepa V (1983)

Uraufführung am 2. April 1984 im French House der Columbia University in New York.

Runder Metallbehälter für Tonbandspule mit Beschriftung

„Éliane Radigue – Échos“. Ein Film von Éleonore Huisse und François Bonnet, F 2021, Film Still © Éleonore Huisse, François Bonnet

„Les Chants de Milarepa“ beziehen sich auf den Yogi und Dichter Jetsün Milarepa aus dem 11. Jahrhundert. Éliane Radigues intensive Beschäftigung mit dem tibetischen Buddhismus ist in ihre Musik eingeflossen. Mit „Mila’s Journey Inspired by a Dream“ findet die Liederreihe vorerst ihren Abschluss.

MaerzMusik feiert den 90. Geburtstag der französischen Musikpionierin Éliane Radigue mit der erstmaligen Live-Präsentation ihres gesamten elektronischen Musikschaffens. Eine Reihe von siebzehn Konzerten unter der Klangregie von François Bonnet, alias Kassel Jaeger, erstreckt sich über das gesamte Festival. In der einzigartigen akusmatischen Umgebung des Zeiss-Großplanetariums versucht diese Hommage die bezaubernde Tiefe von Radigues Musik für Lautsprecher, die zwischen 1970 und 2000 entstanden ist, vollständig zu erschließen.

„Éliane Radigue wurde am 24. Januar 1932 in Paris geboren, wo sie bis heute lebt und arbeitet. Durch eine umsichtige Klavierlehrerin erlebte sie in ihrer Kindheit in Paris eine geheimnisvolle Initiation in die Musik. Später kommen die Harfe, das Singen und die Komposition hinzu. Aber erst durch den Kontakt mit der ‚musique concrète‘, an der Seite von Pierre Schaeffer und später Pierre Henry, findet die Musik von Radigue ihren eigenen authentischen Weg.
Über einen Zeitraum von über 50 Jahren erstrecken sich drei verschiedene Phasen in ihrem Schaffen. Jede von ihnen markiert einen Bruch und ist zugleich inspiriert durch die Erkundung und Erforschung von Schwellen, von Räumen, die sich in den Intervallen auftun, und vom Dialog zwischen Hörerfahrung und innerer Erfahrung, persönlicher Geschichte und sinnlicher Erinnerung. Die erste Phase (1968–1971) betrifft die Arbeit mit Feedback und ‚Re-Injektionen‘ – eine embryonale Phase, die bereits Radigues äußerste Sorgfalt und Arbeit mit Schwellen und bedrohten Equilibrien erkennen lässt. Die zweite, reife Phase, die sich über dreißig Jahre (1971–2001) erstreckt, ist von der fruchtbaren Produktion elektronischer Kompositionen geprägt, die ihre Musik unauslöschlich mit den einzigartigen Beats des ARP 2500 Synthesizers verbindet. In dieser Phase beginnt die Entwicklung langer Formen mit subtilen Variationen, die zwischen der von der Musik getragenen Geschichte und der für ihre Entfaltung notwendigen Zeitspanne aufblühen und mitschwingen. Die dritte Phase dauert bis heute an und umfasst die akustischen Werke, die Éliane Radigue in enger Zusammenarbeit mit Musiker-Kompliz*innen unterschiedlichster künstlerischer Horizonte kreiert. Diese bringen eine zusätzliche relationale Dimension in eine Musik ein, die sich bis dahin im Alleingang entwickelt hatte. Im Laufe ihres Lebens hat Éliane Radigue ein aufrichtiges, anspruchsvolles und inspirierendes Werk entwickelt, das heute eine ganz neue Generation von Musiker*innen beeinflusst.“ (François Bonnet)

„Milarepa war ein großer Heiliger und Dichter aus Tibet, der im 11. Jahrhundert lebte. Seine Autobiographie, das ‚Mila Kabum‘ oder ‚Namthar‘, die er seinem engsten Schüler Rechungpa erzählte, wurde in mehrere westliche Sprachen übersetzt. In dieser Geschichte von Milarepas Leben können wir sehen, wie er durch Jahre der Meditation und damit verbundenen Praktiken in der Einsamkeit der Berge, in denen er sich der strengsten Form der Askese unterwarf, die höchste Form der Erleuchtung und die geistige Kraft erlangte, die ihn befähigte, unzählige Schüler zu leiten. Seine Fähigkeit, komplexe Lehren in einem einfachen, klaren Stil zu präsentieren, ist erstaunlich. Er hatte eine feine Stimme und liebte es zu singen. Wenn seine Mäzenen und Schüler ihn um etwas baten oder ihm eine Frage stellten, antwortete er in spontan verfassten, frei fließenden Gedichten oder lyrischen Liedern. Es heißt, dass er 100.000 Lieder komponierte, um seine Ideen in Unterricht und Gesprächen zu vermitteln.
Die umfangreiche Sammlung von Geschichten und Liedern, das ‚Jetsun Gurbum‘, wurde von Garma C. C. Chang erstmals ins Englische übersetzt. Es gibt auch eine seltene, wenig bekannte Sammlung, ‚Geschichten und Lieder aus der mündlichen Tradition von Jetsun Milarepa‘, die länger als die anderen Werke mündlich überliefert wurde. ‚Drinking the Mountain Stream‘ (Lotsawa Publications), dem die Lieder in diesem Stück entnommen wurden, ist die erste englische Übersetzung dieser Texte, die von Lama Kunga Rinpoche und Brian Cutillo angefertigt wurde.
Lama Kunga Rinpoche hat sich freundlicherweise bereit erklärt, seinen Gesang auf Tibetisch aufzunehmen, und Robert Ashley hat seine Stimme für die englische Übersetzung dieser Lieder zur Verfügung gestellt.“ (Éliane Radigue)

Programm

Éliane Radigue
Les Chants de Milarepa (1983)
Musik für Lautsprecher / ARP 2500 Synthesizer auf Tonband, 62 min 22 sec

5. Mila’s Journey Inspired by a Dream

Produziert 1981–1983 im Studio von Éliane Radigue in Paris.
Gesang: Lama Kunga Rinpoche (aufgenommen von Laetitia Sonami und Maggy Paine in Oakland, Kalifornien).
Stimme: Robert Ashley (aufgenommen von der Komponistin in New York).
Digitales Mastering: Bill Kipper, Masterdiks Corporation

Besetzung

François J. BonnetKlangregie