Konzert
George Benjamin III
August Strindberg, Photogramm von Kristallisationen, Stockholm Kungliga Bibliothek, Gemeinfrei
Ein Liebesgedicht von Richard Dehmel regte Arnold Schönberg zu seinem Streichsextett op. 4 an. Ein Paar geht durch die Nacht, sie ist aus einer früheren (Kurz-)Liaison schwanger, er adoptiert das zu erwartende Kind pränatal. Doch bei dieser Lyrik entscheidet nicht der rohe Inhalt, sondern die psychologisch-philosophische Aura, die Verwandlung, Dehmel nannte die mythische (Liebes-)Kraft Verklärung. Schönberg hielt sich in Gliederung und Ausdruck an die Stationen des Gedichts. Den eigentlichen, psychologischen und quasi spirituellen Verlauf aber kann Musik viel wirkungsvoller suggerieren als der Text. Er tritt ihr gegenüber auch dann in den Hintergrund, wenn man ihn kennt. So erging es selbst dem Dichter, als er Schönbergs Sextett zum ersten Mal hörte.
Anders liegen die Verhältnisse in George Benjamins „Into the Little Hill”. Lange wartete der britische Komponist, eher er sich an das Musiktheater wagte. Als er es dann tat, wählte er den Zugang über kammermusikalische Formen. Alle Rollen in diesem Stück, dem die Sage über den Rattenfänger von Hameln zugrunde liegt, werden von zwei Sängerinnen übernommen. Damit „lassen wir keinen Zweifel an der künstlichen Natur des gesungenen Dramas, ermöglichen aber zugleich Dialoge und Charakterisierungen“, erläutert der Komponist. „Martin Climps Libretto hält sich an die überlieferte Sage, weckt aber auch verstörend aktuellen Widerhall. Es reflektiert über die Kraft der Musik und ihre Ausbeutung in der Welt von heute […] Im Orchester verlange ich einige ungewöhnliche Klangfarben – von der Bassflöte und dem Cimbalom bis zum Banjo und den Bassetthörnern. Dadurch entsteht oft ein verhaltenes, transparentes Klangbild, das den Gesangsstimmen immer den Vortritt lässt. Vor allem aber wollte ich deren Linien so klar wie möglich in ihre harmonische Umgebung einbetten. In diesem Zusammenspiel liegt meiner Meinung nach eine wesentliche Quelle des Ausdrucks für ein lyrisches Bühnenwerk.“
Arnold Schönberg [1874-1951]
Verklärte Nacht
Für Streichsextett op. 4 [1899/1905]
George Benjamin [*1960]
Into the Little Hill
Eine lyrische Erzählung in zwei Teilen für Sopran, Alt und 15 Spieler [2006]
Martin Crimp, Libretto
Verklärte Nacht
Isabelle Faust Violine
Anne Katharina Schreiber Violine
Antoine Tamestit Viola
Danusha Waskiewicz Viola
Jean-Guihen Queyras Violoncello
Christian Poltéra Violoncello
Into the Little Hill
Susanna Andersson Sopran
Krisztina Szabó Alt
Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin in Kooperation mit der Stiftung Berliner Philharmoniker und dem Mahler Chamber Orchestra. Mit freundlicher Unterstützung der Aventis Foundation