Lesung

In den Arabesken der Langeweile

Ulrich Matthes liest Pariser Texte von Walter Benjamin

Berliner Festspiele im Salon Noir
Veranstaltungsprogramm der Ausstellung „Melancholie. Genie und Wahnsinn in der Kunst“

Paris – Stadt der Moderne, Stadt der Liebe und der Melancholie, Stadt der Flaneure und der Passagen mit ihren zerbrechlichen kristallenen Konstruktionen aus Glas und Stahl. Es war die Lebens- und Lieblingsstadt Walter Benjamins, der ein begnadeter Spaziergänger war und hier Jahre des erzwungenen Exils zubrachte. Philosophischer Dichter und dichtender Philosoph, Dialektiker von schärfstem Verstand, war er ein Liebhaber des Rausches – und ein Melancholiker.

Auf seinen endlosen Spaziergängen durch die Gassen und Passagen, Friedhöfe und Varietées sammelte er Sprach-Bilder von philosophischer Sprengkraft und dichterischer Präzision. Sein großes „Passagen“-Werk blieb Fragment, aber in ihrer Zersprengtheit bilden seine Texte, zusammen mit den Texten über Charles Baudelaire und den Übertragungen der „Fleurs du Mal“ visionäre philosophisch-politische Zeitdiagnosen und Zeugnisse einer gefährdeten, fragilen Gegenwart. Subtil, komplex und sprachlich präzise sind sie Vor-Zeichen des ganzen Unheils, der die Welt heimgesucht und nicht wieder losgelassen hat, und in seinen kleinen Denkbildern, Fragmenten und Essays enthalten. Zugleich sprechen seine Texte davon, was es heißt, an den äußersten Rändern des Möglichen zu leben – in den stillen Winkeln der Bibliotheken, in den Randbezirken der Städte, mittellos, freundlos, in den Räumen der Kindheitserinnerungen, auf der Flucht – und trotzdem denkend und schreibend Widerstand zu leisten.

Ulrich Matthes, Träger des Gertrud-Eysoldt-Rings und Schauspieler des Jahres 2005, ist ein großer Schauspieler von hoher Intelligenz und präsziser Ausdrucksfähigkeit. Einer seiner künstlerischen Ursprünge liegt in der schauspielerischen Schule der äußersten Textgenauigkeit und Arbeit am Text. Er liest Pariser und andere Texte von Walter Benjamin.