Multi-Media Vortrag

Memory Theatre

Maksym Rokmaniko, Center for Spatial Technologies
Eyal Weizman, Forensic Architecture/Forensis

Die Abbildung zeigt eine digitale Rekonstruktion des zerstörten Theaters in Mariupol und seine parkähnliche Umgebung. Auf dem Plan sind handschriftlich verschiedenen Orte im und um das Theater sowie Laufwege eingezeichnet.

Memory Theatre © Courtesy of the Center of Spatial Technologies

Die Bombardierung des Mariupol Drama Theaters am 16. März 2022, wenige Wochen nach Beginn der russischen Invasion, gehört zu den schlimmsten Gräueltaten der Besatzungsmacht gegen die Zivilbevölkerung. An diesem Tag und in den folgenden Monaten wurde viel mehr zerstört als die Substanz eines Theaterbaus. Bis zu zweitausend Zivilpersonen hatten dort Schutz gefunden und das Gebäude in eine Stadt mit einer Gesamtarchitektur verwandelt, mit eigenen Orten für Diskussionen, Schutz und gegenseitige Versorgung. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die russischen Besatzer*innen auch die verbliebenen Ruinen mit Bulldozern einrissen, war das Gebäude auch Beleg eines schweren Kriegsverbrechens.

Diese jüngste gemeinsame Recherche des Center for Spatial Technologies mit Sitz in Kiew und Forensis aus Berlin beschäftigt sich mit der Periode von drei Wochen zwischen dem Beginn der großangelegten russischen Invasion und dem Luftangriff vom 16. März. In diesem Zeitraum wurde das Theater zu einer selbst-organisierten Kommune und zu einem Akt des Widerstands: zu einer „Stadt in einem Gebäude”. Der Vortrag erzählt die Geschichte des Hauses als die eines historischen Orts kultureller Identität. Durch stundenlange Interviews mit Überlebenden des Angriffs wird die Lebenswelt des Theaters sorgsam wieder zusammengesetzt, wobei die entstehenden Wechselwirkungen von Erinnerung, Raum und Trauma mit großer Sensibilität untersucht werden.

Diese gemeinsame Arbeit ist für Weizman und Rokmaniko Ausgangspunkt einer Betrachtung des Spannungsverhältnisses zwischen Beweismitteln und Aussagen von Zeug*innen. Dazu verwenden sie die Methode des „situierten Aussagens“, über die Zeug*innen ein dreidimensionales Modell des Gebäudes gestalten und durchschreiten. In ihrem Vortrag stellen die Initiatoren auch die gemeinsame investigative Praxis vor, die von der Rechercheagentur Forensic Architecture entwickelt wurde und auf die sich die Untersuchung stützt. Die Methoden und die besonderen Schwierigkeiten der Sicherung von Beweismitteln in Kriegszeiten werden ebenso behandelt wie die Komplexität des Arbeitens, Ermittelns und Interviewens im Schatten des Kriegs.

„Memory Theatre“ ist Teil des Festivals „Performing Exiles“ der Berliner Festspiele.Recherche: Forensis und Forensic Architecture.
Projektunterstützung: The Initiative Center to Support Social Action „Ednannia“ und Porticus.