Theater, Performance, Musik

Shared Landscapes

Sieben Stücke zwischen Wald und Wiese

Mehrere Personen gehen durch einen Wald. Sonnenstrahlen fallen durch Baumkronen.

Shared Landscapes © Berliner Festspiele, Foto: Camille Blake

Wie nähern wir uns Landschaft, ohne gleichzeitig auf Distanz zu gehen?
An acht Terminen im August und September befragen künstlerische Interventionen, Klangkompositionen, Choreografien und Theater das Verhältnis zwischen Mensch und Natur sowie deren gegenseitige Abhängigkeit in einer von Klimakrise, Entfremdung und Extraktivismus geprägten Zeit.

Europäische Künstler*innen, Institutionen der performativen Künste, lokale Musiker*innen und Performer*innen sowie Expert*innen sind für das Projekt „Shared Landscapes“ zusammengekommen, um einen kollektiven Spaziergang als performative Antwort auf die Land Art der bildenden Kunst zu entwickeln. Sieben international konzipierte Inszenierungen wurden für das Umland von Berlin ortsspezifisch adaptiert.

Die italienischen Choreograf*innen und Performer*innen Chiara Bersani und Marco D’Agostin erforschen seit zehn Jahren gemeinsam das Konzept des politischen Körpers und dessen soziale Rolle. Zusammen mit einem*einer in Berlin ansässigen Performer*in mit Behinderung initiieren D’Agostin und Bersani, welche selbst eine Behinderung hat, ein szenisches und zugleich sonderbares Picknick. Ein Zusammenkommen im Grünen, bei dem Landschaft sowohl zum kollektiven und geteilten als auch zum nicht-zugänglichen Raum wird.

Sofia Dias und Vítor Roriz arbeiten seit 2006 als Duo zusammen. Die beiden portugiesischen Künstler*innen haben eine choreografische Sprache entwickelt, die auf Textelemente sowie auf die Stimme als natürliches Instrument zurückgreift und das Zusammenspiel von Sound, Sprache und Bewegung ergründet. Darauf basierend erarbeitet das Duo Performances, Tanzstücke, Podcasts und Installationen. Für „Shared Landscapes“ haben Dias und Roriz eine Sound-Arbeit als Audiotour entwickelt, die mehrere Besucher*innen-Gruppen zeitgleich durch den Wald führt: eine Art Pas de deux, ein Tanz als kollektives Ritual zwischen Menschen und Tieren, Jagenden und Gejagten.

Die türkisch-belgische Künstlerin Begüm Erciyas konzipiert Theaterformate, die das frontale Blackbox-Setting unterlaufen und dem Publikum individuelle Erfahrungen in einem kollektiven Kontext ermöglichen. Gemeinsam mit dem in Deutschland geborenen Filmemacher und Regisseur Daniel Kötter nutzen die beiden in diesem Projekt militärische Bildgebungsverfahren auf Head-Mounted Displays, um den Teilnehmenden – in einer individualisierten und gleichzeitig kollektiven Situation – einen Landstreifen als Niemandsland zu vermitteln. Die Arbeit schließt an eine Serie von VR-Dokumentationen von Kötter an, die die Folgen des Berg- und Tagebaus und ihre lokalen sowie globalen Auswirkungen auf Landschaften und Gemeinschaften untersuchen.

Der in Berlin ansässige, US-amerikanische Künstler und Komponist Ari Benjamin Meyers kreiert Soundarbeiten und Performances für internationale Bühnen und Museen. Sein Interesse gilt Formaten und Strukturen, die die sozialen und performativen Konventionen, die Musik und ihre Aufführungspraxis immer schon bestimmen, neu definieren. Das Projekt „Shared Landscapes“ nutzt Meyers als Gelegenheit, eine Komposition für eine ganze Landschaft – inklusive der Bäume, der Vögel und des Windes – zu erarbeiten. In „Unless“ präsentiert er gemeinsam mit dem Ensemble Apparat und weiteren lokalen Musiker*innen eine Reihe von skulpturalen Musikstücken, die sich – zwischen Bäumen und Lichtungen verteilt – erst nach und nach zu erkennen geben.

Die französische Regisseurin Émilie Rousset entwickelt mithilfe dokumentarischer Recherchen interdisziplinäre Formate an der Grenze von Theater, Film und Installation, in denen Schauspieler*innen das von ihr gesammelte Archivmaterial verkörpern. Die dadurch entstehende Überlagerung von Realität und Fiktion schließt eine Re-Interpretation des Originals aus und lässt Original und Kopie ununterscheidbar werden. Im Zentrum ihrer Untersuchungen steht das von Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen verwendete Vokabular. Für „Shared Landscapes“ traf sich Rousset mit einer Beraterin für Agrarökologie, einem*einer Landwirt*in und einem Verhaltensbiologen und nahm die mit ihnen geführten Gespräche auf. Die Landschaft als Raum der Begegnung nutzend, geben Performer*innen und eine Maschine die Originalaufnahmen des Gesprächs wieder und laden die Zuhörer*innen ein, Verbindungslinien zwischen Wissenschaft, Technologie und Wirtschaft zu ziehen.

Das spanische Kollektiv El Conde de Torrefiel, bestehend aus Tanya Beyeler und Pablo Gisbert, erschafft visuelle und textbasierte Theaterstücke, in denen Theater, Choreografie, Literatur und bildende Kunst nebeneinander bestehen. Für den Abschluss der Route installiert El Conde de Torrefiel eine Situation, in der das Publikum eine „untertitelte“ Landschaft betrachtet. Durch die Verwendung eines großen Untertitel-Screens, auf dem Gedanken, Fragen, Perspektiven und Offenbarungen hintereinander erscheinen, wird ein kollektives Lesen der Landschaft evoziert. Eine gemeinsame Betrachtung, die das Nichtwahrnehmbare in den Vordergrund rückt, Landschaft dekonstruiert und auf einige der Fiktionen verweist, die unsere Vorstellung von Natur bestimmen.

Stefan Kaegi entwickelt mit dem Berliner Theaterlabel Rimini Protokoll Dokumentartheater, Hörspiele und nomadische Konzepte für urbane Räume, in denen das Publikum oftmals eine zentrale Rolle spielt. Im Rahmen von „Shared Landscapes“ lädt er die Besucher*innen ein, sich mit Kopfhörern auf den Waldboden zu legen, um ihre Perspektive auf die sie umgebende Landschaft zu kippen. Während der Blick in Richtung Baumkronen schweift, taucht das Publikum in die Montage einer ortsspezifischen Klanglandschaft ein: in ein inszeniertes Gespräch zwischen einer Psychoanalytikerin, einem Kind, einem Förster, einer brasilianischen Sängerin und einer Meteorologin aus der Gegend, das mithilfe von binauraler Technik dreidimensional auf dem Waldboden verortet wird.

Die Kuratorin Caroline Barneaud ist seit über 20 Jahren im Bereich der darstellenden Künste tätig: Barneaud war zunächst Mitglied einer Theatergruppe, bevor sie zehn Jahre lang als Produzentin am Festival d’Avignon mitwirkte und anschließend der Leitung des Théâtre Vidy-Lausanne in der Schweiz beitrat. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Entwicklung und Umsetzung von Projekten, die gesellschaftliche Fragen thematisieren, verschiedene Formate in einem interdisziplinären Ansatz verbinden und damit den Möglichkeitsraum des Theaters als Ort, Institution und Medium erweitern.

Konzept und Kuration
Caroline Barneaud
Stefan Kaegi (Rimini Protokoll)

Mit Inszenierungen von
Chiara Bersani und Marco D’Agostin (Italien), El Conde de Torrefiel (Spanien), Sofia Dias und Vítor Roriz (Portugal), Begüm Erciyas und Daniel Kötter (Türkei, Belgien, Deutschland), Stefan Kaegi (Deutschland, Schweiz), Ari Benjamin Meyers (USA, Deutschland) sowie Émilie Rousset (Frankreich)

Besetzung Hangelsberg/Berlin

Apparat ​​​​ mit Gästen
Malin SiebernsFlöte
Ruth Velten – Saxofon
Martin Posegga – Saxofon
Paul Hübner – Trompete
Maxine Troglauer – Posaune
Max Murray – Tuba

Brigitte Cuvelier
Fernanda Farah
Carolin Hartmann
Christian Hohm

Carlo Horn
Michaela Koschak
Emil Leyerle
Magali Tosato
Dr. Mai Wegener
u. v. m.

Eine Produktion von Rimini Apparat (Deutschland) und Théâtre Vidy-Lausanne (Schweiz) in Koproduktion mit Berliner Festspiele (Deutschland) und dem europäischen Konsortium Performing landscape: Bunker und Mladi Levi Festival (Slowenien), Culturgest und Rota Clandestina / Câmara Municipal de Setúbal (Portugal), Festival d’Avignon (Frankreich), Tangente St. Pölten – Festival für Gegenwartskultur (Österreich), Temporada Alta (Spanien), Zona K und Piccolo Teatro di Milano Teatro d’Europa (Italien)

Kofinanziert von der Europäischen Union. Die Konzeption wurde gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.
    
In Partnerschaft mit INVR.SPACE GmbH für die Virtual-Reality-Headsets VR Cinema Solution.
    
Mit freundlicher Unterstützung des Landesbetriebes Forst Brandenburg / Landeswaldoberförsterei Hangelsberg.