Panel / Expert*innen der Praxis | Down to Earth

Was bedeutet Nachhaltigkeit in Museen?

Christopher Garthe, Albrecht Grüß, Lutz Nitsche, Michela Rota
Moderation: Tino Sehgal

20 Grad Celsius, 50 % Luftfeuchtigkeit im Ausstellungshaus – wie ist das entstanden? Wie sind unsere Vorgänger*innen zu diesen Standards des Industriezeitalters im Museum gekommen? Wie haben sie in diesem Haus gearbeitet, als es noch keine Klimaanlagen gab? Und wie kann es konkret aussehen, wenn wir die Ausstellungspraxis selbst unter die Prämissen von Bruno Latours Buch stellen?

Tino Sehgal wurde 1976 in London geboren und studierte Volkswirtschaftslehre sowie Tanz in Berlin und Essen. Seit über 15 Jahren realisiert er seine Arbeiten weltweit auf Kunstbiennalen und in namhaften Museen, darunter das Palais de Tokyo in Paris (2016), das Stedelijk Museum in Amsterdam (2015), die Tate Modern in London (2012) oder das Guggenheim Museum in New York (2010). Er kuratierte unter anderem Ausstellungen im Museum für Moderne Kunst, Frankfurt (2011), das Manchester International Festival (2013), „A Prelude to The Shed“ in New York (2018) und „Welt ohne Außen“ im Gropius Bau (2018). Nach seiner Einzelausstellung im Gropius Bau 2015 wird Tino Sehgal im Rahmen von „Down to Earth“ ein weiteres Mal „This Situation“ als Teil des Ausstellungsparcours präsentieren. Als Werke der bildenden Kunst existieren Sehgals Arbeiten im Raum und permanent. Die bewegten, sprechenden Körper und ihre Verlangsamung schließen die Besucher*innen in die Situation ein und stellen die konventionelle Beziehung zwischen Objekt, Subjekt und Ausstellung in Frage. In „This Situation“ konstruiert Sehgal Begegnungen zwischen den Menschen in einer Kulturinstitution – und gibt den Besucher*innen die Möglichkeit, mit seinen Interpret*innen über gesellschaftliche Themen wie Ökonomie und Ökologie in Austausch zu treten. Die Institution der Zukunft wird auf diese Weise zum Begegnungsort, Tageslicht löst den White Cube auf. Welcome to this Situation.

Michela Rota ist eine italienische Architektin und promoviert im Bereich Kulturerbe. Sie beschäftigt sich mit architektonischem Design und ist Beraterin für nachhaltige Museografie. Von 2008 bis 2017 forschte sie an der Energie-Fakultät der Universität Politecnico di Torino in Italien zu Museen und Fragen des Bauerbes, wobei es um Methoden für die präventive Konservierung, die Nachhaltigkeit der baulichen Umwelt, den Zugang durch intelligente Technologien sowie um Museumsstandards ging. Rota ist Mitglied der Arbeitsgruppe für Nachhaltigkeit des ICOM (Internationaler Museumsrat) und Koordinatorin des ICOM-Regionalkomitees Piemont und Aostatal. Sie ist Autorin wissenschaftlicher Publikationen. Ihr jüngstes Buch trägt den Titel „Musei per la Sostenibilità Integrata“ [2019, Museen für integrierte Nachhaltigkeit].

Albrecht Grüß arbeitet seit 16 Jahren für die Berliner Festspiele und ist derzeit Produktionsleiter der Programmreihe Immersion. Seit 2019 übt er die Tätigkeit eines EMAS-Auditors für die Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH aus. Bereits 2013 hat die KBB GmbH ihr Engagement im Bereich des Umweltmanagements verstärkt und eine EMAS-Zertifizierung erlangt. EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) ist ein anspruchsvolles System für nachhaltiges Umweltmanagement, das von der EU entwickelt wurde. Es verpflichtet die KBB GmbH unter anderem, sich Umweltziele zu setzen, fortwährend an der Verbesserung der eigenen Umweltbilanz zu arbeiten und sich jährlich internen und externen Prüfungen zu unterziehen.

Christopher Garthe ist promovierter Kreativdirektor und Berater für Nachhaltigkeit in Museen. Er entwickelt Ausstellungen mit Bezug zu nachhaltigen Themen und begleitet Museen, Science Center und Erlebniswelten mit Hilfe von transdisziplinären Ansätzen bei der Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements. Seit 2009 ist Garthe bei studio klv tätig, einem interdisziplinären Beratungs- und Kreativbüro. Er ist zudem Autor mehrerer Artikel und Blogs sowie Lehrbeauftragter für „Nachhaltigkeit in Museen“. Naturerleben fungiert für Garthe als elementare Inspiration und Motivation, um große Transformationen kreativ zu gestalten.

Lutz Nitsche konnte zahlreiche Etappen der ökologischen Ausrichtung der Kulturstiftung des Bundes mitgestalten. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter hat er das dreijährige Nachhaltigkeitsprojekt „Über Lebenskunst“ entwickelt und die EMAS-Zertifizierung der Kulturstiftung im Jahr 2012 begleitet. Er war außerdem als „Stiftungsimker“ in Bienen-Hochstand-Projekten aktiv und plant derzeit unter anderem eine bundesweite Veranstaltungsreihe zu zirkulären Materialwirtschaften im Kulturbereich. Nitsche hat zuvor Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Freiburg, London und Tübingen studiert, in Hildesheim promoviert und – als Flugreisen noch selbstverständlich schienen – in Los Angeles geforscht.