Eintritt frei
Mittwoch, 5. Juli 2006 | 18:30
Wie Michelangelos Peterskuppel zum Emblem des römischen Barock geworden ist, so gilt sein sogenanntes „Jüngstes Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle als Ikone der Gegenreformation. Solch kategorisierende Interpretationen tragen nicht unbedingt zu einem differenzierten Verständnis der Werke bei. Hinzu kommt, dass Michelangelo neben seinen Kreationen an seinem Mythos gearbeitet und sich dabei nicht gescheut hat, Unwahrheiten über die Entstehung seiner Malereien und Werke in Umlauf zu setzen. Diese Eigenpropaganda ist in der heutigen Sicht auf seine Schöpfungen häufig immer noch nicht überwunden. Die große Endzeitvision über der Altarwand kann nicht unabhängig von der bestehenden Ausstattung betrachtet werden, sondern steht als dritte Ausstattungsphase der Palastkapelle des vatikanischen Palastes in einer Tradition, die bereits mit Papst Sixtus IV. begonnen hatte. Sie bedeutet auch keine Fortsetzung seiner Ausmalung der Decke durch Michelangelo selbst über zwanzig Jahre zuvor, sondern ihre Entstehung stand unter völlig anderen Vorzeichen als diese. Nicht zuletzt fand während der Ausführung des Wandbildes ein Konklave statt, so dass zwei Päpste als aufeinanderfolgende Auftraggeber gelten müssen.
Der Vortrag möchte einen Beitrag dazu leisten, die Sixtinische Kapelle aus der Spannung zwischen der bereits im 15. Jahrhundert zugrunde gelegten Tradition und den einzelnen Versuchen, mit dieser zu brechen, zu erläutern. Die Päpste Sixtus IV., Julius II., Clemens VII. und Paul III. stellen dabei für Michelangelo jeweils eine andere Herausforderung dar.
Arnold Nesselrath ist Professor für Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 1981 Direktor des Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance am Warburg Institute, an der Bibliotheca Hertziana und an der Humboldt-Universität. Seit 1995 Direktor der Abteilung für byzantinische, mittelalterliche und moderne Kunst an den Vatikanischen Museen.
Im Rahmen der Ausstellung „Barock im Vatikan“