Aktuelle geoarchäologische Forschung

Vortrag von Prof. Dr. Andreas Vött

Nach der Katastrophe vom Dezember 2004 in Südostasien ist das Bewusstsein gegenüber Tsunamis größer als jemals zuvor. Doch Gefahren lauern nicht nur an den Küsten des Indischen Ozeans und des Pazifik. Der östliche Mittelmeerraum, eines der beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen und gleichzeitig eine der seismo-tektonisch aktivsten Regionen der Welt, ist ebenfalls einem großen Risiko ausgesetzt.
Archäologische Stätten spiegeln im besonderen Maße die komplexen Mensch-Umwelt-Interaktionen wider. In Küstennähe können ihre Sedimente auch zur Erforschung von Extremereignissen und deren Folgen verwendet werden.

Im Rahmen des Vortrags werden die geowissenschaftlichen Hintergründe der derzeit diskutierten „Olympia-Tsunami-Hypothese“ vorgestellt.

Das antike Olympia liegt rund 19 km von der Küste entfernt am Zusammenfluss von Kladeos und Alpheios hinter der schmalen Hügelkette von Flokas-Platanos. Die archäologischen Überreste steckten vor den Ausgrabungen inmitten der 7-8 m hohen Olympia-Terrasse, welche sich bis 5,5 km Kladeos-aufwärts verfolgen lässt, maximal 500 m breit und von einer bis zu 200 m breiten Rinne zerschnitten ist. Allein seit frühbyzantinischer Zeit wurden in Olympia 4-6 m Sediment abgelagert. Anschließend tiefte sich der Kladeos um 10 m bis fast auf sein antikes Niveau ein. Das Rätsel der Verschüttung Olympias hängt also mit der Landschaftsentwicklung des Kladeos-Tals zusammen.

Die Sedimentstratigraphien in Olympia, im Kladeos-Tal und am unteren Alpheios zeigen quasi-identische Muster: feinkörnige, schluffig-tonige, mitunter leicht sandige Sedimente eines autochthonen, niedrig-energetischen fluvialen oder lakustrinen Ablagerungsraums, die mehrfach von hochenergetischen sandig-kiesigen Sedimenten unterbrochen werden. Sie enthalten neben umgelagertem Bodenmaterial, Knochen und Keramikfragmenten auch zahlreiche Reste rezenter mariner Faunen. In den autochthonen Lagen kommen dagegen vor allem geringe Mengen plio-pleistozäner Faunenfragmente vor. Geochemische Analysen belegen einen temporären, hochenergetischen marinen Einfluss. Paläogeographische Rekonstruktionen ergaben zudem, dass Olympia vor 2000 Jahren nur 15 km, in der Bronzezeit 10 km und im mittleren Holozän wahrscheinlich nur 3 km vom Meer entfernt lag. Die Befunde legen nahe, dass das untere Alpheios-Tal in den letzten 6000-8000 Jahren mehrfach von Tsunamis geflutet und dabei die Hügelkette von Flokas-Platanos überströmt wurde, und die Wassermassen den Weg über das Kladeos-Tal zurück zum Meer suchten. Der Wechsel zwischen Aufschüttung und Einschneidung im Kladeos-Tal kann mit tsunamitypischen Einström- und Rückflussmechanismen erklärt werden.

Der jüngste Tsunami erfolgte wahrscheinlich in Verbindung mit dem Erdbeben von 551 n.Chr. Damals muss die Altis von einem murenartigen Schlammstrom erfasst worden sein –die einzelnen Fragmente des Zeustempels liegen vom lehmig-sandig-kiesigen Sediment getrennt, also „schwimmend“, vor und nicht unmittelbar auf- und übereinanderliegend, wie dies bei Erdbebenschäden zu beobachten ist.

Die Arbeiten sind in das Projekt „Olympia und seine Umwelt“ des DAI eingebettet. Weitere Informationen unter www.geomorphologie.uni-mainz.de.

Veranstalter Martin-Gropius-Bau