Pier Luigi Nervi: Ingenieur, Architekt, Konstrukteur

Vortrag von Sergio Poretti

Einführung: Prof. Harald Bodenschatz (TU Berlin)

Sergio Poretti ist Professor für Architektur an der Università degli Studi „Roma Tre“. Er hat zusammen mit Tullia Iori den Katalog zur Ausstellung „Pier Luigi Nervi. Architettura come sfida“ im MAXXI Rom herausgegeben und war Mitkurator der römischen Etappe der Ausstellung (2010).

Welchen Stellenwert nimmt das Werk von Pier Luigi Nervi in der Ingenieurskunst und in der Architektur des 20. Jahrhunderts ein? Wie erklärt sich das gegenwärtige große Interesse an seinen Bauten?

Um Antworten auf diese Leitfragen zu gewinnen, zeichnet der Vortrag in aller Kürze den langen Weg des künstlerischen Schaffen Nervis vom zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts bis zu den 70er Jahren nach.

Obwohl sein Werk von einem einzigartigen, unverwechselbaren Zug geprägt ist, spiegelt es die tiefgehenden Wandlungen der italienischen Geschichte wider: vom Ersten Weltkrieg über die, in Italien 20 Jahre andauernde, Herrschaft des Faschismus, vom Eifer der Wiederaufbaujahre und die Euphorie des Wirtschaftswunders bis zur Krise des nachfolgenden Zeitraums.

Auf dieser Wegstrecke lebt Nervi nicht ein Leben, sondern drei. Das erste sieht ihn als Protagonist der Debatte über die Moderne während des Faschismus. In einem zweiten Leben ist er Erfinder einer neuartigen Bautechnik, der Konstruktion mit Stahlbeton, „System Nervi“ genannt. In einem dritten schließlich ist er ein internationaler Star der Architektur. Drei gleichermaßen intensive Leben, die aufeinander folgen, sich überlagern und miteinander interagieren, von denen jedoch jedes seinen eigenen Kreis vollendet.

Besondere Bedeutung gewinnt in diesem Abenteuer das Ereignis der Olympischen Spiele in Rom 1960, als der fast siebzigjährige Ingenieur mit seinem kleinen Bauunternehmen Nervi & Bartoli in wenigen Monaten gleich vier Meisterwerke entwirft und realisiert. Es ist die erste Olympiade, die im Fernsehen verfolgt werden kann. Und dank des zierlichen Gewebes der leichten Kuppeln Nervis, die den Hintergrund für die Sportereignisse bilden, verbreitet sich in der Welt aufs Neue eine – ebenso originelle wie monumentale – Version des „Made in Italy“.

Veranstalter Italienisches Kulturinstitut Berlin. In Kooperation mit dem Martin-Gropius-Bau.