Inszenierung

UnGeformt

TheaterImpulse e. V. & Oberstufenkolleg Bielefeld

Sechs Schauspieler*innen sitzen seitlich nebeneinander gereiht auf einer Bühne und blicken dabei durch einen grünen, rechteckigen, fensterartigen Kasten, der ihre Köpfe umrahmt und in dem sie ihren rechten Arm aufstützen.

UnGeformt © Detlef Hamann

Welche Erwartungen stellt mein Umfeld an mich und wie gehe ich damit um? In welchen „Formen“ stecke ich und in welche werde ich gesteckt?

„UnGeformt“ erzählt von sieben Jugendlichen, die sich auf eine Reise der Selbstverwirklichung begeben. Dabei reflektieren die jungen Menschen Erfahrungen und Begegnungen mit ihrer Umwelt und werden mit Erwartungen und „Formen“ konfrontiert, in die sie scheinbar passen müssen. Schlussendlich zeigt ihnen die Schildkröte, dass schnell sein nicht alles ist.

Kommentar zur Inszenierung von Jurymitglied Andreas Kroder

Einzelne Figuren erkunden mit ihren Taschenlampen den Bühnenraum. Im Schwarzlicht werden einige Formen erkennbar. Die Gruppe findet sich zusammen und interagiert mit geometrischen Formen, die ihre jeweilige Biografie widerspiegeln Ecken, Rundungen, Kanten in verschieden Größen und Volumen werden körperlich und sprachlich geformt und bevor die Frage nach dem „Warum“ überhandnimmt, ist es Zeit für eine Gute-Nacht-Geschichte, in der uns von einem eigenartigen Wesen erzählt wird: der Schildkröte, die aus vielen Formen besteht und geformt werden kann.
Das Autonome Jugendtheater aus Bielefeld, das aus einem Schulprojekt des Oberstufenkollegs Bielefeld entstanden ist, beschreibt seine Eigenproduktion als „mutig und leichtsinnig“. Wirklich alle Spieler*innen bekommen hier ihren Auftritt, sind ständig präsent und dürfen aus der Vielfalt der eigenen Textimpulse ihre persönliche Form auswählen und in die eigene Rolle übersetzen.

„Was hat mich geformt? In welcher Form stecke ich oder in welche werde ich gesteckt? In welche Form möchte ich passen und aus welcher möchte ich ausbrechen?“ Diese Fragen werden von dem Ensemble auf individuelle Weise behandelt, verhandelt und geteilt.
Eine lineare Handlung wird hier nicht erzählt, dem Publikum wird vielmehr eine gefühlvolle Suche nach der eigenen Existenz geboten.

Die jungen Theatermacher*innen laden die Zuschauenden in einen Raum mit wenigen markanten Objekten ein, die ihre eigene Form haben, inklusive der Kostüme – von klein und rund bis groß und eckig – alles wird bespielt und bleibt sichtbar.
In dieser Produktion ergibt nicht alles immer sofort einen Sinn, aber das noch Ungeformte nimmt immer weiter Form an und bleibt bis zum Ende durch Chor, Tanz, Rennen, Flüstern, Berührungen spannend und ehrlich.

Der Mix aus eigenen Erfahrungen und Geschichten wird nicht nur eingebracht, sondern auch in Themen integriert, die für diese Gruppe von großer Relevanz sind. Der vermeintlich naive Zugang, beispielsweise in der Auseinandersetzung mit der Großeltern-Generation, wird damit begründet, dass diese sichtbar geformte Generation klare Lebensvorstellungen hat und daher auch eine direkte Konfrontation möglich ist.

Die jungen Spielenden schaffen es, auf der Bühne eine außergewöhnlich authentische Atmosphäre zu schaffen. Durch ihre unverfälschte und unkonventionelle Art gewähren sie dabei einen tiefen Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Es ist berührend, mit welcher Intensität und Nachdenklichkeit Bilder entstehen, zum Beispiel, wenn sich aus der Vielzahl von Formen und Objekten ganz leise und vorsichtig eine Schildkröte aus dem Kollektiv bildet, eine Spielerin ihren Kopf aus dem Panzer schiebt und mit ihrer Mimik, die gerade eben erzählte Geschichte körperlich vermittelt.
Respekt an das Ensemble: Ich spüre geradezu, wie sich hier eine Gruppe gefunden hat, die die eigenen Formen auf der Bühne erkundet und mit Hingabe und Sehnsucht wiedergibt. Da wird jede*r Spielende auf der Bühne mitgerissen und sucht in körperlich anstrengenden Ausdrucksformen nach Möglichkeiten, der Produktion zu dienen. Der Abend lässt mich nachdenklich und begeistert zurück. Dieses Stück ist überaus bemerkenswert und beispielhaft.

Von und mit

Mamadou Diallo, Rosa Koepsel, Emilia Mazurkewitz, Ali Nazari, Aiva Prišlova, Anton Rode, Emily Taake

Carlotta Drescher, Marlene WohlhüterRegie
Malene Ahrens, Lotta TopelTechnik
Emma Lohrenz, Marlene WalkenhorstKostüm
Mara Löbbe, Maike SticklingDesign
Detlef HamannVideo
Thomas Döring, Steffan KnepelUnterstützung

Allgemeiner Dank: TheaterImpulse e.V. und Oberstufenkolleg Bielefeld