Inszenierung
Piccolo Theater Jugendklub, Cottbus in Kooperation mit der Schaubühne Berlin
stolpern © Gianmarco Bresadola
Vor vielen Häusern in deutschen Städten sind Stolpersteine eingelassen. Sie verweisen auf unzählige tragische Schicksale von während der NS-Unrechtsherrschaft deportierten Menschen.
Eine Gruppe junger Menschen aus Berlin und Cottbus setzt sich mit einer Gegenwart auseinander, in der rechtsnationale Parteien erstarken, die Gesellschaft so fragmentiert erscheint, wie schon lange nicht mehr und sogenannte Protestbewegungen völkisches Gedankengut skandierend durch die Innenstädte ziehen. Sie fragt sich: Wie mit dem Wissen um Verfolgung, Deportation und Ermordung verschiedener bis heute marginalisierter Gruppen umgehen? Wie dieses Wissen erhalten? Was dem gesellschaftlichen Rechtsruck entgegensetzen? Und vor allem: Wie sich – heute und in Zukunft – entschieden gegen Rassismus und Diskriminierung stellen?
Kommentar zur Inszenierung von Jurymitglied Anne-Kathrin Holz
„Stolpern“ ist ein gemeinsames Bühnenprojekt der Berliner Schaubühne und des Piccolo Theaters aus Cottbus. Bei dem Stück handelt es sich um ein performatives Aufstehen gegen die Ausgrenzung und Diskriminierung junger Menschen in heutigen stadtkulturellen Zusammenhängen, gegen Alltagsrassismus und Hetze.
Als Zuschauende erleben wir ein energisches und konsequentes Aufbegehren gegen neurechtes Denken und Verhalten, erdacht und aufgeschrieben im Kollektiv der Berliner und Cottbusser Jugendlichen, die in ihrem gemeinsamen Anliegen zu einer intensiven Zusammenarbeit gefunden haben.
Die Produktion „Stolpern“ macht auf die Schicksale derer aufmerksam, die vor vermeintlich langer Zeit, von einer deutschen Mehrheitsgesellschaft gebilligt, dem Zugriff der nationalsozialistischen Machthaber ausgeliefert waren. Sie stellt einzelne Lebenswege und Leidensgeschichten von Menschen vor, die dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen. Dies geschah nicht nur, weil die Nationalsozialisten Menschen gefangen, gequält und ermordet haben, sondern auch, weil eine Zivilgesellschaft sie auslieferte, sich nicht solidarisierte, wegschaute und sie im Stich ließ.
Dieser Aspekt baut letztlich die Brücke zwischen den beiden zueinander in Beziehung gesetzten Dimensionen, die an diesem Theaterabend verhandelt werden.
Die Spielenden der Gruppe machen die Geschichten der Personen, derer in den kleinen Gedenksteinen vor ihren letzten Wohnhäusern heute gedacht wird, durch einen klugen theatralen Zugriff groß. Sie geben den Verfolgten und Ermordeten eine Stimme und finden eine theatrale Sprache, die dem Publikum diese Schicksale näherbringt. Dennoch liegt es den jungen Theatermacher*innen fern, ihre persönlich erlebten Alltagserfahrungen mit den Einzelschicksalen der NS-Opfer zu vergleichen, von denen das Stück erzählt. Es gelingt dem Ensemble mit einer beeindruckend souveränen Wahl der szenischen Mittel, die Bühne zu nutzen, um zu zeigen, wie sehr sie sich in der Verantwortung sehen, „den Anfängen zu wehren“, die sie im Heute erleben, in ihrem unmittelbaren Alltag. Denn, wie es in Brechts Stück „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ heißt, „der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“
Lapo Biasutti, Courtney Bischoff, Mate Böckenhauer, Bianca Ehrecke, Anne Fiedler, Lennard Gantzer, Jan Heider, Florian Jähne, Pola Juniewicz, Leonhard Lorenz, Zuzanna Pacholska, Norah Scharnholz. Magdalena Schmukal, Dennis Selka, Fanny Struve, Taha Temel, Lina Zegenhagen, Jula Zwicker
Matthias Heine, Mai-An Nguyen – Leitung und Regie
Ulla Willis – Bühne
Vanessa Sampaio Borgmann – Kostüme
Zaida Ballesteros Parejo – Choreografie
Jakob Gerhardt – Musik
Marcus Peter Tesch – Dramaturgie
Jule Fuchs – Künstlerische Mitarbeit
Carolin Schaefer – Regieassistenz
Aaron Aschenbach – Hospitanz
Jörg Hentschel – Beleuchtungsmeister
Konstantin Walter, Josua Bauer, Sven Mühlbach – Video und Ton
Eine Kooperation mit dem Piccolo Theater Cottbus. Gefördert von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium für Finanzen (BMF).
Ein Projekt der Bildungsagenda NS-Unrecht.