Ausstellungstexte

Ether’s Bloom: Ein Programm zu Künstlicher Intelligenz

Einleitung

Die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) lassen kaum einen Bereich des Lebens unberührt. Sie eröffnen neue Möglichkeiten und Verbindungen, kreieren und reproduzieren dabei aber auch Ausschlüsse. In rasanter Geschwindigkeit entstehen immer mehr selbstlernende Maschinen. Anstatt Fragen aufzuwerfen, neigen die neuen KI-Modelle dazu, zu halluzinieren und vermeintlich universelle Antworten vorzugeben. Das Programm Ether’s Bloom möchte einen spekulativen Raum eröffnen, in dem den Erwartungen, Befürchtungen und der Kritik an diesen Technologien in ihren experimentellen, ethischen und poetischen Dimensionen begegnet werden kann.

Die Künstler*innen und Denker*innen in Ether’s Bloom laden uns ein, die Beziehungen zueinander, zu menschlichen und nicht-menschlichen Lebensformen und zu Maschinen zu überdenken. Aus unterschiedlichen Perspektiven und Ansätzen heraus nutzen sie selbstlernende Technologien als Werkzeug oder Thema, um bisher unbeachtete Geschichten zu beleuchten. Wie verändert KI unser Zusammenleben? Und wie können wir verantwortungsvoll die Rolle von KI in unserer vernetzten Zukunft verhandeln?

Zu den verschiedenen Formaten von Ether’s Bloom gehören künstlerische Auseinandersetzungen, ein neues Writer in Residence-Format mit K Allado-McDowell, der Podcast Beyond and Within: AI Talks, sowie Gespräche und Workshops. Zentraler Bestandteil ist die Entwicklung einer App, in welche die Ideen und kritischen Fragestellungen von Ether’s Bloom einfließen. Sie arbeitet mit neuen Technologien, um mehr Zugänge zu ermöglichen. Die App wird ab Frühjahr 2024 verfügbar sein.

Elisa Giardina Papa

Elisa Giardina Papa, Cleaning Emotional Data, 2020

Elisa Giardina Papa, Cleaning Emotional Data, 2020

Courtesy: die Künstlerin und Galerie Tanja Wagner, Berlin; im Auftrag von Aksioma, Institute for Contemporary Art of Ljubljana und La Kunsthalle Mulhouse

Elisa Giardina Papas Video-Trilogie wird im Rahmen von Ethers Bloom zum ersten Mal zusammen gezeigt. Sie untersucht, wie Kl und digitale Ökonomien Praktiken von Arbeit und Fürsorge verändern.

Technologies of Care

Die Videoinstallation Technologies of Care (2016) versammelt Geschichten von Freiberufler*innen, die online Care-Arbeit leisten. Sie befragt die komplexen Beziehungen zwischen Arbeit, Gender und den ethischen Herausforderungen, mit denen Online­ Arbeiter*innen oft konfrontiert sind. Mithilfe anonymisierter digitaler Bilder gewahrt das Video einen Einblick in das Leben derer, die die Wirtschaft der On-Demand­ Pflege aufrechterhalten.

Cleaning Emotional Data

Cleaning Emotional Data (2020) vertieft diese Beschaftigung und nimmt neu ent­stehende Formen der KI-Mikroarbeit in den Blick. Für diese Videoinstallation „putzte“ Giardina Papa für mehrere Unternehmen Daten, die später zum Trainieren von Algorithmen zur Erkennung von Gefühlen verwendet wurden. Zu Giardina Papas Aufgaben gehörte die Kategorisierung menschlicher Emotionen, die Kennzeichnung von Gesichtsausdrücken und die Aufnahme ihres eigenen Gesichts fur die Animation dreidimensionaler Avatare. Die Videoinstallation dokumentiert ihre Tätigkeit und zeigt gleichzeitig die Vorurteile auf, die sowohl in historischen als auch in aktuellen Technologien zur Kategorisierung menschlicher Ausdrucksformen bestehen.

Was bleibt radikal unberechenbar? — Elisa Giardina Papa

Elisa Giardina Papa, Labor of Sleep, Have you been able to change your habits??, 2017

Elisa Giardina Papa, Labor of Sleep, Have you been able to change your habits??, 2017

Courtesy: die Künstlerin und Galerie Tanja Wagner, Berlin; im Auftrag des Whitney Museum of American Art

Labor of Sleep, Have you been able to change your habits??

Elisa Giardina Papas Labor of Sleep, Have you been able to change your habits?? (2017) ist eine Serie von sechzehn kurzen Videofragmenten, die auf skurrile Weise auf Tuto­rials zur Selbstoptimierung verweisen. Das internetbasierte Kunstwerk thematisiert, wie Fitness-, Wellness- und Schlaf-Apps zunehmend als Heilmittel für die Krisen des öffentlichen Gesundheitssystems verwendet werden. Die Videoclips erscheinen täglich bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang auf der Website des Gropius Bau.

Was müssen wir jetzt begraben, damit die, die nach uns kommen, ernten können? — Mimi Ọnụọha

Mimi Ọnụọha

Mimi Ọnụọhas Arbeiten thematisieren, wie das kulturelle Verständnis von Wissen und Unterschieden, die von historischen und kolonialen Begegnungen geprägt wurden, in Technologien gespeichert sind. Die Künstlerin verweist auf die Widersprüche, die in der Vorstellung vom technologischen „Fortschritt“ liegen und fragt nach einem umfassenderen Verständnis von Technologie, das die Traditionen und Werte derjenigen mit einbezieht, deren Geschichten im Namen des Fortschritts ausgelöscht wurden.

These Networks in Our Skin

Der Kurzfilm These Networks in Our Skin (2021) zeigt Menschen, die die Kabel und Geräte des Internets benutzen, um ihre eigenen traditionellen Erzählungen zurückzufordern. Das Werk arbeitet mit suggestiven Bildern und Klängen und ist von der Kosmologie der Igbo inspiriert. In einigen Igbo-Traditionen greift Ala, die Göttin der Erde und der Unterwelt, in menschliche Aktivitäten ein und wird mit Kunstwerken und Geschenken beschworen. Die Frauen in Ọnụọhas Film adaptieren Igbo- und andere Kosmologien für die digitalen Infrastrukturen, die uns umgeben. Indem sie die materiellen Realitäten des Internets neu verbinden und verweben, gestalten sie das Netzwerk so um, dass es ihre eigene Präsenz und kulturellen Überzeugungen und Werte widerspiegelt.

The Cloth in the Cable

Für die Installation The Cloth in the Cable (2022) füllt Ọnụọha Kabel mit Gewürzen, Stoffen, Staub, Yellow-Madras-Curry-Pfeffer, geräuchertem Paprika, gemahlener Kalebassenmuskatnuss und anderen Materialien und lädt sie so mit neuen Bedeutungen auf. Die Arbeit erweitert die Geschichte des Internets und versinnbildlicht seine Macht über Räume und Geschichten. Für die hier ausgestellte Version lud Ọnụọha hn. lyonga ein, ein in Berlin lebender Schriftsteller, Dichter und Community-Organisator und aktuell Neighbour in Residence am Gropius Bau, um die Arbeit mit einer ortsspezifischen Beigabe aus Besenfasern zu erweitern.

Ọnụọha verweist auf die Auslassungen und Leerstellen, die durch Computer- und Dateninfrastrukturen entstehen – auf das, was ausgeblendet und unsichtbar wird. Ihre Arbeit korrigiert diese „algorithmische Gewalt“ (Mimi Ọnụọha) und damit die ausschließenden und unterdrückenden Tendenzen der Technologie, indem sie neue Räume der Fürsorge, Teilhabe und Verbundenheit schafft.

Mimi Ọnụọha, These Networks In Our Skin, 2021

Mimi Ọnụọha, These Networks In Our Skin, 2021

Courtesy: die Künstlerin; im Auftrag des Princeton University's Ida B Wells Just Data Lab