Theater

We for Future. Eine Recherche zur Klimakrise

FutureGroup vom Theater an der Parkaue Berlin

[Videotrailer] © FutureGroup vom Theater an der Parkaue Berlin

Glaubst du noch, deine Art zu essen, rettet das Klima, oder zeigst du schon mit dem Finger auf die Generation der Politiker*innen, die die Autoindustrie, die Massentierhaltung, die Lebensmittelindustrie, den Braunkohletagebau mit Millionen von Euro versorgen, aber nichts tun, um die Erderwärmung zu stoppen?

Die Jugendlichen von FutureGroup legen ihre Finger in die Wunde, die erwachsene Menschen mit politischer Verantwortung nicht sehen wollen: Die Erde wird unbewohnbar sein. Aber wie können wir das Klima, unseren Planeten, retten, wenn wir selber jeden Tag so tun, als ob uns alles immer zur Verfügung steht? In vierzig heißen Minuten tanzen die acht Spieler*innen auf dem schmalen Grat von Fakten, Wut, Verzweiflung, Ängsten und Hoffnung. Ein sich Abfinden mit dem Status Quo kommt nicht in Frage.

Mehr als ein halbes Jahr haben wir intensiv zum Klimawandel recherchiert: Expert*innen befragt zum Zustand des Waldes, den Anstieg des Meeresspiegels, das Teepeeland besucht, Zero Waste versucht und nach Antworten gesucht. Lässt sich der Klimawandel überhaupt noch aufhalten? Sind Alternativen zu unserem Konsumverhalten schon jetzt in der Welt, aber viel zu wenige interessieren sich dafür? Gibt es Hoffnung? Wir brauchen Bewegung, Veränderung und keinen Stillstand! Und dann war er da, der Stillstand. Corona kam und blieb. War jetzt alles umsonst? Also haben wir unseren Bühnenraum ins Netz verfrachtet zu einer Zeit, wo nur sehr wenige Erfahrung mit digitalen Formaten hatten. Wir haben das Experiment gewagt, unsere Zimmer verwüstet, ausgeleuchtet und uns riesig gefreut, wenn Tassen von einem Bild ins andere gewandert sind. Und dann war er der da: der Eisbär!

Mit
Lara Bendler, Jule Cichon, Luzie Priegann, Noa Seba, Djetou Sinka, Lila Steinmann, Lilja Veigel, Willem Vorbau

Joanna PramlRegie
Karola Marsch, Ceren KurutanDramaturgie
Franziska SauerAusstattung
Fabian RistauMusik, Ton
Joanna Praml, Jörg WartenbergSchnitt
Marisa WestermeyerTheaterpädagogik

Joanna Praml war zwei Jahre Schauspielerin am Theater Marburg. Seit 2007 arbeitet sie als Regisseurin und entwickelt in partizipatorischen Recherchearbeiten Inszenierungen sowohl mit nicht-professionellen Darsteller*innen als auch mit Schauspieler*innen, u. a. am Staatstheater Kassel, am Staatsschauspiel Dresden, am Theater an der Parkaue Berlin, am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Deutschen Theater Berlin. „Romeo und Julia“ und das Drei-Generationen-Projekt zwischen Jugendlichen, ihren Eltern und Großeltern „Wenn du nicht mehr da bist“ wurden mehrfach ausgezeichnet und zum Theatertreffen der Jugend 2013 und 2014 eingeladen. Für „Ein Sommernachtstraum“ am Düsseldorfer Schauspielhaus wurde sie 2017 für den Deutschen Theaterpreis „DER FAUST“ in der Kategorie „Regie“ nominiert.

Zur Auswahl für die Jury Carmen Grünwald-Waack

Ein leerer schwarzer theatraler Raum. Da rechts liegt ein weißer Haufen. Eine Ansammlung von Plastiktüten? Der Berg bewegt sich. Ein Kopf hebt sich. Weiße Ohren. Eine große schwarze glänzende Nase. Vier weiße Beine. Mühsam versucht das Tier sich aufzurichten, stützt sich auf die Vorderpfoten. Es gelingt ihm, zum Sitzen zu kommen. Es stemmt seine Hinterbeine in den Boden, die vorderen Tatzen bewegen sich unbeholfen in der Luft. Doch, oh weh, er stürzt wieder in sich zusammen. Der Kopf knickt ab, der Rücken sackt zusammen. Der ganze Körper sinkt zurück zum Boden. Dort sammelt er erneut Energie und beginnt, sich wieder aufzurichten.

„Der Eisbär, der Eisbär!“, ich hören nicht auf, das zu rufen – etwas verschüchtert vor dem Bildschirm zu Hause und dann doch so laut und deutlich ich kann. „Hört ihr mich? Der Eisbär!“ Ja, ich rufe das. Ich habe nicht umgeschaltet, ich will weder ein Programm finden, das spannender ist, noch euch wegscrollen. Ich sitze alleine vor meinem Rechner zu Hause. Ich habe die Flut an digitalen Veranstaltungen und Live-Übertragungen satt. Ich will auch wieder mit euch in einem Raum sein. Dieselbe Luft atmen und dieselben Viren. Da seid ihr nun Djetou, Jule, Lara, Lilja, Luzie, Willem, Lila und Noa. Zum Greifen nahe, viel privater als sonst, auf der Bühne. Ihr habt eure Zimmer umgestaltet, Lampen als Scheinwerfer aufgebaut, Kleiderstangen deinstalliert, Vorhänge befestigt; ihr habt recherchiert, Requisiten hergestellt, geübt, seid mit rudimentären Funktionen anfänglicher Videoplattformen umgegangen, ihr habt euch so richtig ins Zeug geworfen.

Ihr könntet mit mir über alles reden: Über den CO2-Fußabdruck, den ich hinterlasse, über Plastik, Ernährung, Fleisch, Palmöl, Mikroplastik, Meere, Wald, Shoppen, Konsum, Kapitalismus, Wasserverbrauch, Geld, SUVs, Fridays for Future, Greta Thunberg, Lamborghinis, Donald Trump, die Arktis, Brände, Fliegen, Wohnungsbau, Hausaufgaben, Nutella, über Fässer ohne Boden. Ihr seid gut vorbereitet.

Und jetzt sitze ich nicht vor euch, wie im Theater… Aber ihr bringt mich zum Lachen, obwohl es eigentlich mega traurig ist, ihr macht mir Lust auf Waldbaden und auf ein Brot mit doppeltem Schokoladenaufstrich und ihr zeigt, dass es möglich ist, Theater zu machen, auch wenn das nicht im Theater stattfinden darf.

Danke für etwas, das gar nicht (aber irgendwie doch) stattgefunden hat. Danke für unsere Begegnung.