Theater
Theatergruppe DIE ELEVEN vom Friedrich-Schleiermacher-Gymnasium und Oberschule Niesky (Sachsen)
[Videotrailer] © Theatergruppe DIE ELEVEN vom Friedrich-Schleiermacher-Gymnasium und Oberschule Niesky
Dies ist die Zukunft. Die Welt, wie wir sie kannten, gibt es nicht mehr. Wie Blei liegt ein Fieber auf der Erde, die wir lieben. In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Der Sturm ist da. Alles und jede*n verschlingt er: Alte, Junge, Familien, Kinder, Königreiche und Diktaturen. Selbst Demokratien geraten ins Wanken. Lieferketten und Globalisierungsströme kommen zum Erliegen.
Der Sturm ist da. Der Neugestalter.
Dies sind die Aufzeichnungen der letzten Kinder der alten Erde. Zurückgezogen in einer Kapsel warten die Kinder das Ende des Sturmes ab. Ein Zyklon, der das Fieber der Erde verstummen lassen wird.
Dies ist die Zukunft. Dies ist das Jahr 2021.
Ausgangspunkt war der Wunsch, ein anderes (Hybrid-)Genre zu finden und zu erkunden: das Bewegungs-Performance-Tanz-Theater.
Als Grundlage dienten uns die Arbeiten von Pina Bausch, Sasha Waltz und Ohad Naharin sowie die Viewpoints-Methode von Anne Bogart. Nachdem die sechsmonatige Forschungs- und Experimentierphase abgeschlossen war, stellten wir uns folgende Fragen: Welches Handwerkszeug ist zu beherrschen, um Bewegungs- und Ausdruckstanz altersspezifisch darzustellen und es mit dem gesprochenen Wort zu verbinden? Welches Verhältnis sollte nonverbale und verbale Sprache haben?
Es wurde mit Konzepten experimentiert, Ideen und Visionen wurden erfasst und wiederverworfen.
Parallel zur ästhetisch-künstlerischen Ausdrucksform suchten wir nach den inhaltlichen Anknüpfungspunkten, um unsere Gedanken- und Gefühlswelt widerzuspiegeln.
Aus der damaligen tagespolitischen Lage suchten wir uns vier Themen heraus, die wir näher erforschen wollten: die Abwesenheit der Lehrerin*des Lehrers – der leere Klassenraum, der Blick von außen auf die Welt – Alexander Gersts zweiter Weltraumflug, Greta Thunbergs Schulstreik für das (Welt-)Klima vor dem schwedischen Parlament und das Zeitalter des Anthropozän und seine Auswirkungen auf die Erde.
Ausgehend von diesen vier Motiven schrieben wir unsere Gedanken auf und hielten gezielt Ausschau in der Pop-, Kultur- und Zeitgeschichte. Daraus entstand ein gewaltiger Pool an Texten, den wir schlussendlich durch viele Gespräche und Experimente gemeinsam dramaturgisch aufarbeiteten und kürzten.
Die Zutaten für den Kosmonauten-Cocktail waren beisammen, nun ging es um die Abmischung.
Wir stellten uns folgende Forschungsfragen: Wie kann man innere Bewegung in äußere transformieren und mit dem eigenen Körper darstellen? Wie kann man einen Gedankenwelt-Raum inszenieren? Welche Möglichkeiten des Objektspiels bieten Schulbänke, Kostüme, Masken und Live-Kameras? Wie schildert und erzählt man eine Reise des „Sich-selbst-bewusst-werdens-in-der-Welt“ mit den Mitteln des bildhaften Theaterspiels?
Anfang November 2019 war es dann soweit: Die Kosmonauten hoben ab, um die unbekannten Weiten des Spiel-Welt-Raumes zu entdecken.
Wir sind mächtig stolz darauf und freuen uns galaktisch, im zweiten Anlauf (nachdem das TTJ letztes Jahr ausfiel) mit unserer zweiten Produktion (die aktueller nicht sein könnte) erneut fürs Theatertreffen der Jugend ausgewählt worden zu sein. Wir freuen uns auf inspirierende und interessante, aufregende und anregende Tage.
Mit
Theatergruppe DIE ELEVEN: Lorena Eichler, Lina Fuhrmann, Luisa Fräßdorf, Jeremias Grabs, Luisa Grillmeyer, Emilie Hartwig, Moritz Kahl, Elena Kauk, Judith Kagelmann, Jerry Kleint, Janneck Krause, Robert Rießner, Daniel Rose, Alma Schröter, Greta Sirto
Kerstin Schönbrodt, Ben Graul – Spielleitung
DIE ELEVEN – Texte, Kostüme, Choreografien
Ben Graul – Bühne, Licht, Musik
Moritz Kahl – Ton
Von 1998 bis 2012 war Ben Graul künstlerischer Leiter des BAFF-Theaters Delitzsch e. V. und von 2010 bis 2013 Produktionsassistent in der TAK – Theaterakademie/Theaterpädagogik im tjg. – theater junge generation – sowie an der Bürgerbühne des Staatsschauspiel Dresden. Ben Graul betreibt Feldforschung überwiegend an sächsischen Schulen im Bereich Darstellendes Spiel und hat bereits Daten von über 30 Kooperationen gesammelt und ausgewertet. Von 2017 bis 2019 war er Coach beim Bundesfestival Schultheater der Länder (initiiert durch den Bundesverband Theater in Schulen). Außerdem ist er tätig in der Aus- und Weiterbildung für Darstellendes Spiel u. a. an der Bürgerbühne des Staatsschauspiels Dresden beim „Club der lehrenden Bürger“ (von 2014 bis 2019) und arbeitet als Dozent, Coach, Spielbegleiter mit verschiedenen Hochschulen, Landesverbänden und Kooperationen (u. a. KOST – Kooperation Schule und Theater in Sachsen) zusammen. Er hat bereits mehrfach an nationalen Theaterfestivals teilgenommen. „WIR SIND ALLE KOSMONAUTEN [relaunched]“ ist seine 60. Jugend-Theaterproduktion.
Kerstin Schönbrodt unterrichtet am Friedrich-Schleiermacher-Gymnasium Niesky Deutsch und Geschichte. Gemeinsam mit Kolleg*innen entwickelte sie einen Lehrplan für den fächerverbindenden Wahlgrundkurs Musiktheater in der Sek II. Um auch jüngere Schüler*innen für das Theaterspielen zu begeistern, leitete sie jährlich das Ganztagsangebot einer Theater-AG. Von 2016 bis 2018 beteiligte sie sich mit ihrer Schule am Projekt „KOST-Kooperation Schule und Theater in Sachsen“.
Gleich mit ihrer ersten gemeinsamen Produktion „Das Phantom von Uruk“ mit der Theatergruppe DIE ELEVEN wurden sie zum STTS 2017 (Schüler*innen-Theater-Treffen-Sachsen) nach Bautzen und zum SdL 2017 (Schultheater der Länder) nach Potsdam eingeladen. 2018 eröffneten sie das 39. Theatertreffen der Jugend in Berlin und gewannen im November desselben Jahres den Sächsischen Amateurtheaterpreis.
Zur Auswahl für die Jury Sebastian Mauksch
Staubkorn, Sturm und Sternenhimmel
In der Inszenierung der Theater AG DIE ELEVEN schauen die Schüler*innen des Friedrich-Schleiermacher-Gymnasium und Oberschule in Niesky/Niska aus der Perspektive von Weltraumfahrer*innen auf ihr Zusammenleben, auf sich selbst. In ihrem Sputnik umkreisen sie den trauerblauen Planeten und sezieren unsere Lebensweise mit feinster Space-Shuttle-Technik: Can you hear me, Major Tom? Im inhaltlichen Spannungsfeld von Greta Thunberg zu Alexander Gerst entstanden elektrisierende Choreografien, performative Songinterpretationen und chorische Selbstbefragungen – eine Forschungsstation im Auge des Sturms. Eindrucksvoll wie lässig beginnt dieses Mixtape mit individuell gestalteten Phantasy-Pop-Masken, glitzernden gold- und silberfarbenen Kostümen und setzt damit die Höhe für den kommenden künstlerischen Gestaltungswillen. Er experimentiert mit Tanz, Performance und Theater. Mit Live-Kamera, Mikrofon und Kartoffelchips rücken sich Schüler*innen zu Leibe und visionieren eine Zukunft, eine Zukunft mit ihnen, eine Zukunft von ihnen.
Zu teilen ist – die spielerisch-leichte Aneignung der darstellenden Künste wie der Popmusik und ihrer Umformung in die Körper- und Gedankenwelten der teenagenden Protagonist*innen. Zu teilen ist – die ernsthafte Recherche zu Popkultur und Zeitgeschichte. Zu teilen ist – wie mit kaum vorhandener technischer Ausstattung sie die künstlerische Arbeit nach vorne trägt und einen Austausch sucht. Zu teilen ist – dass Land- und Freundeskreis durch die finanzielle Weiterförderung diese fruchtbare Kooperation zwischen Theater und Schule ermöglichen. Zu teilen ist – ein Dankeschön.