
Die Programmreihe der Berliner Festspiele setzt in ihrer dritten Ausgabe einen besonderen inhaltlichen Fokus auf unterschiedliche Konzepte von Identität und ihrer Verflechtung mit der Welt. Von Oktober 2025 bis Januar 2026 gastieren sieben internationale Produktionen aus Tanz, Theater und Performance im Haus der Berliner Festspiele und im Gropius Bau, darunter zwei Uraufführungen sowie eine europäische und zwei deutsche Erstaufführungen.
Den Auftakt bildet die bildgewaltige und poetisch kraftvolle Musiktheaterproduktion „The Great Yes, The Great No“ von William Kentridge, deren Deutschlandpremiere im Juni bei den Ruhrfestspielen mit großer Begeisterung aufgenommen wurde. Die Akram Khan Company präsentiert ihre jüngste Produktion „Thikra: Night of Remembering“ als deutsche Erstaufführung und bringt ein internationales und rein weibliches Ensemble von zeitgenössisch und im Bharatanatyam ausgebildeten Tänzerinnen zusammen. Die Kreation ist zugleich die letzte Tourneeproduktion der Kompanie und markiert das Ende ihres 25-jährigen Bestehens. Für die europäische Erstaufführung ihrer neuen Arbeit „Post-Orientalist Express“ taucht die Choreografin Eun-Me Ahn tief ein in die reichen Traditionen Asiens und bietet eine farbenfrohe Perspektive kultureller Identität. „Showroomdummies #4“ von Gisèle Vienne und Étienne Bideau-Rey vermischt Tanz, Theater und bildende Kunst. Zusammen mit François Chaignaud und der Sängerin Nadia Larcher erkundet Nina Laisné in „Último helecho“ den Reichtum südamerikanischer Folklore als dynamische Grundlage eines zeitgenössischen Diskurses. Mit „Tanzende Idioten“ bringt Thorsten Lensing nach rund dreijähriger Pause wieder eine Uraufführung mit seinem hochkarätigen Ensemble auf die Bühne. Zeitgleich zur Ausstellung im Gropius Bau wird die speziell für den Lichthof konzipierte Arbeit „Wayward Chant“ von Ligia Lewis ebenfalls als Uraufführung präsentiert.
Das Gesamtprogramm, kuratiert von YusukeHashimoto, ist auf der Website veröffentlicht. Der Ticketvorverkauf beginnt heute um 14:00 Uhr. Die Akkreditierung ist ab sofort möglich.
Oktober
William Kentridge, einer der renommiertesten und interdisziplinär arbeitenden Künstler Südafrikas, eröffnet die Performing Arts Season und präsentiert vom 16. bis 18. Oktober sein bildstarkes Gesamtkunstwerk „The Great Yes, The Great No“, das Theater, Oratorium und Kammeroper zugleich ist. Mit Zeichnungen, Collagen, Filmen, Masken sowie Musik, Tanz und Schauspiel erzählt das Stück, basierend auf der wahren Begebenheit einer historischen Seereise von Marseille nach Martinique im Jahr 1941, eine vielschichtige Geschichte von Exil, Migration, Kolonialismus und Barbarei. Dabei werden die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischt, historische und literarische Epochen überlagern sich: An Bord befinden sich neben den historisch belegten Reisenden, wie der Schriftstellerin Anna Seghers oder dem Anthropologen Claude Lévi-Strauss, zahlreiche weitere Figuren aus Vergangenheit und Zukunft, darunter der Psychiater und politische Denker Frantz Fanon, die Malerin Frida Kahlo sowie die Schwestern Paulette und Jeanne Nardal, Pionierinnen der französischen Négritude-Bewegung. Die symbolische Kraft und Vielschichtigkeit einer Meeresüberquerung verbindet alle Schiffsreisenden. In acht verschiedenen Sprachen nehmen die Darsteller*innen, Sänger*innen, Tänzer*innen und Musiker*innen das Publikum mit auf ihre ganz besondere Seereise.
November
Die Oasenstadt Al-Ula in der saudi-arabischen Wüste mit ihrem weiten Himmel und den Spuren und Echos uralter Rituale inspirierte Akram Khan zu „Thikra: Night of Remembering“. Dort feierte die in Koproduktion mit den Berliner Festspielen entstandene Arbeit im Januar 2025 auch Weltpremiere und wird in ihrer Indoor-Adaption am 11. & 12. November als deutsche Erstaufführung im Festspielhaus gezeigt. Zugleich ist es die letzte Tourneeproduktion der Akram Khan Company zum Ende ihres 25-jährigen Bestehens.
14 Tänzerinnen aus unterschiedlichen Traditionen – klassischer indischer Bharatanatyam und zeitgenössischer westlicher Tanz – finden in einer Choreografie zusammen und lassen zur Originalmusik des indisch-amerikanischen Komponisten Aditya Prakash hybride Kulturen, Traditionen und Perspektiven zusammenfließen. Gemeinsam mit dem Ensemble erforscht der britische Choreograf Khan die universellen Fragen weiblicher Vorfahren sowie ihre Rituale und Bewegungssprachen. Die Kreation entstand in Kollaboration mit der saudi-arabischen Bildenden Künstlerin Manal AlDowayan, die die Szenografie und die Kostüme entwickelte.
In ihrer im Mai 2025 in Seoul uraufgeführten Tanzproduktion „Post-Orientalist Express“ wirft Eun-Me Ahn einen scharfsinnig-spielerischen Blick auf romantisierte westliche Vorstellungen von Asien. Mit ihrer farbenfrohen und lebensbejahenden Bildersprache stellt die südkoreanische Choreografin solche Klischees neben Elemente aus Legenden und Popkultur und unterstreicht so ihre inhärenten Widersprüchlichkeiten. Ein einzigartiges Bewegungsvokabular erschließt die rund 90 Kostüme und Musik aus unterschiedlichen traditionellen und neo-traditionellen Kulturen neu und interpretiert sie aus zeitgenössischer Perspektive. Die Arbeit ist als europäische Erstaufführung, ebenfalls in Koproduktion mit den Berliner Festspielen, am 15. & 16. November zu erleben.
In ihrer neuen, für den Lichthof des Gropius Bau konzipierten Arbeit „Wayward Chant“ erkundet die in Berlin ansässige Künstlerin und Choreografin Ligia Lewis die Schnittmenge von Schönheit und Verzweiflung durch eine Mobilisierung des Chors. Es entsteht eine reduzierte Partitur aus singenden, sich bewegenden Körpern in detaillierten Formationen. Diese Choreographie gleicht einem verzögert gesummten Kirchenlied, aus dem sich ein klangliches und physisches Spiel aus Dissonanz und Hall entwickelt. Frühe westliche liturgische Klänge verweben sich mit blues-ähnlichen melodischen und harmonischen Details und werden zur atmosphärischen Antwort auf eine nachhallende Vergangenheit. Die Performance wird am 28. & 29. November im Gropius Bau uraufgeführt.
Ligia Lewis gehört mit ihrer interdisziplinären und umfangreichen Praxis zu den zentralen Protagonist*innen einer Neuausrichtung von Performance im Kontext Bildender Kunst. Als Artist in Focus der Berliner Festspiele 2025 war sie mit einer Konzertperformance zu Gast im Programm der MaerzMusik und ist ab 16. Oktober mit einer Ausstellung im Gropius Bau vertreten.
Dezember
Gisèle Vienne und Étienne Bideau-Rey erforschen in ihrer Tanztheater-Performance Weiblichkeitsbilder und Machtstrukturen und fordern die Zuschauenden auf, ihre Blicke auf Verkörpertes und Entkörpertes, auf An- und Abwesenheit zu hinterfragen. In „Showroomdummies #4“ treffen japanische Performerinnen und lebensgroße Puppen als lebende Wesen und unbelebte Objekte aufeinander. Die Choreografie in Zeitlupe ist im Dialog mit der Originalmusik von Peter Rehberg konzipiert, einem Pionier der elektronischen Musik der 1990er-Jahre und Gründer des Kultlabels Editions Mego.
Seit über zwanzig Jahren zieht sich die Arbeit an „Showroomdummies“ wie ein roter Faden durch das Werk von Gisèle Vienne. Zusammen mit dem Künstler, Puppenspieler und Regisseur Étienne Bideau-Rey variiert und reinszeniert sie die Performance immer wieder neu als eigenständige Werke mit jeweils unterschiedlichem Fokus. „Showroomdummies #4“, uraufgeführt 2020 im ROHM Theatre Kyoto, ist die jüngste Version in der Reihe und wird am 5. & 6. Dezember als deutsche Erstaufführung präsentiert.
Januar
Nach rund dreijähriger Pause bringt Thorsten Lensing sein neues und erneut selbstgeschriebenes Stück „Tanzende Idioten“ – mit Texten des US-amerikanischen Schriftsteller Denis Johnson und Originalzitaten der NASA Apollo Missionen zum Mond – an vier Abenden vom 15. bis 18. Januar im Haus der Berliner Festspiele zur Uraufführung. Seine langjährigen künstlerischen Wegbegleiter*innen Sebastian Blomberg, André Jung, Ursina Lardi, Karin Neuhäuser und der Schlagzeuger Willi Kellers spielen Überlebende auf dem Weg zur nächsten Katastrophe. Was sie ausmacht, ist eine aberwitzige Mischung aus Brutalität und Zärtlichkeit, Anarchie und metaphysischen Instinkten, Daseinsschmerz und Lebenslust. Mit dieser Koproduktion erfährt die im vergangenen Jahr begonnene Zusammenarbeit der Berliner Festspiele mit dem in Berlin ansässigen Regisseur und Autor Thorsten Lensing ihre Fortsetzung.
Zum Abschluss der Programmreihe am 24. & 25. Januar ist die mit den Berliner Festspielen koproduzierte Performance „Último helecho“ der Künstler*innen Nina Laisné, François Chaignaud und Nadia Larcher zu erleben, die zugleich von Musik, Gesang und Tanz getragen wird. Barock trifft auf südamerikanische Folklore und Mythologie: Während der französische Tänzer François Chaignaud auf der Bühne auch singt, wird die in Südamerika gefeierte argentinische Sängerin Nadia Larcher mit ihm gemeinsam erstmals die Folkloretänze ihrer Heimat erproben. Vom Chamamé über die majestätische Zamba bis hin zum Malambo dient das vielfältige Repertoire der traditionellen Musik und Tänze Argentiniens der Performance als Fundament. Auf der Bühne wird das Duo von sechs Musiker*innen live begleitet.
Im Rahmenprogramm werden neben Vorträgen ein Tanzworkshop für Einsteiger*innen mit Eun-Me Ahn sowie einer für Fortgeschrittene mit François Chaignaud in der Tanzfabrik Berlin angeboten.
Pressebilder stehen im Pressebereich der Website zum Download bereit.
Förderer & Medienpartner*innen
Die Tanzgastspiele „Post-Orientalist Express“, „Showroomdummies #4“ und „Último helecho“ werden realisiert mit der Unterstützung von Dance Reflections by Van Cleef & Arpels. „Showroomdummies #4“ wird unterstützt durch die Agency for Cultural Affairs, Government of Japan, durch den Japan Arts Council.
Medienpartner: radio3 (vom rbb), ARTE, Dussmann das KultuKaufhaus, Monopol – Magazin für Kunst und Leben, Der Tagesspiegel, WALL und Yorck Kinogruppe.
Pressekontakt
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