Konzert

Niescier / Reid / Salem // Henkelhausen // Vijay Iyer & Wadada Leo Smith

Porträt-Collage mit Vijay Iyer, Wadada Leo Smith, Niescier / Reid / Salem, Felix Henkelhausen: Deranged Particles

Vijay Iyer & Wadada Leo Smith, Eliza Salem / Angelika Niescier / Tomeka Reid, Felix Henkelhausen: Deranged Particles © ogata_photo, Rob Strong, Ofek Haim

Das Jazzfest Berlin 2025 eröffnen Altsaxofonistin Angelika Niescier, Cellistin Tomeka Reid und Schlagzeuger*in Eliza Salem. Auf ihren mit explosivem Free Jazz angereicherten swingenden Post-Bop folgt die rhythmische Tiefe von Felix Henkelhausens Septett Deranged Particles. Das Duo aus Pianist Vijay Iyer und Trompeter Wadada Leo Smith beschließt den Abend mit einem Set, das meditativen Balsam für eine Welt bietet, die nach Widerstand gegen Leid und Verzweiflung verlangt.

18:00

Niescier / Reid / Salem: „Beyond Dragons“

(DE, US)

Unter all den Rohrblattinstrumenten des europäischen Kontinents wird kaum eines mit dermaßen viel Energie verwendet wie das der in Köln ansässigen Altsaxofonistin Angelika Niescier. In ihrem Spiel kombiniert sie die feurige Intensität des Free Jazz mit zackigen Post-Bop-Melodien. Niescier ist gleichermaßen Traditionalistin wie Ikonoklastin und arbeitet regelmäßig mit anderen europäischen Musiker*innen wie dem Pianisten Alexander Hawkins oder der Saxofonistin Sakina Abdou zusammen. Im Laufe ihrer Karriere hat sie aber auch immer wieder die Nähe einiger der beeindruckendsten und eigenwilligsten Figuren der New Yorker Szene gesucht, darunter der Schlagzeuger Tyshawn Sorey und der Bassist Chris Tordini. Ihre Verbindung mit der Cellistin Tomeka Reid jedoch ist eine ganz besondere.

Reid ist eine langjährige Wegbegleiterin des Jazzfest Berlin, die hier bereits im Jahr 2018 mit dem Art Ensemble of Chicago auftrat und nur vier Jahre später mit ihrem Hemphill Stringtet zurückkehrte. Mit ihren robusten Kompositionen und ihren meisterhaften Vamps hat sie ihr Instrument auf ein neues Level gehoben. Durch Basslines oder einfühlsame Riffs treibt sie die Improvisationen ihrer Bandkolleg*innen voran, ist aber ebenso als vielseitige Solistin bekannt, die sowohl Melodien von schmerzhafter Schönheit produziert als auch explosive Texturen zu weben versteht. Niesciers Kompositionen auf dem im Jahr 2023 erschienenen Album „Beyond Dragons“ der beiden Musikerinnen mit Drummerin Savannah Harris jonglieren mit raffinierten Unisono-Themen, einem hitzigen Zusammenspiel und ekstatischen Improvisationen, die sich wie eine moderne, überdrehte Antwort auf das Trio Air mit Henry Threadgill ausnehmen. Bei ihrem Auftritt beim Jazzfest Berlin werden Niescier und Reid am Schlagzeug von Eliza Salem aus New York ergänzt.

Line-up

Angelika Niescier Altsaxofon
Tomeka Reid Violoncello
Eliza SalemSchlagzeug


19:30

Felix Henkelhausen: „Deranged Particles“

(AT, DE, GB, GR)

Der Bassist Felix Henkelhausen zog ursprünglich im Jahr 2014 aus seiner Heimatstadt Oldenburg nach Berlin, um das Jazz Institut Berlin zu besuchen. Doch dauerte es nicht lange, bis der passionierte Student zu einer festen Größe in der Szene der Stadt wurde. Als technisch versierter Musiker ist er mit seinem Gespür für Traditionen und seiner Experimentierfreudigkeit zu einem verlässlichen musikalischen Partner für die verschiedensten Akteur*innen geworden. Kein Geringerer als Schlagzeuger Jim Black verpflichtete Henkelhausen deshalb für seine aktuelle Band The Schrimps, in der Groove und Harmonie mit eindrucksvoller Energie aufeinandertreffen. Henkelhausen spielt zwar in zahlreichen Bands wie dem introspektiven und stiloffenen Klaviertrio Fare oder mit den elektronischen Eklektikern von TAU zusammen und leitet ein eigenes Quintett, doch verdeutlicht kein Projekt seine kompositorische Vielseitigkeit und seine konzeptionellen Stärken als Bandleader so eindringlich wie Deranged Particles.

Henkelhausen gründete die Band mit der Absicht, sich Stücken zu widmen, die von kniffligen rhythmischen Umkehrungen getragen werden und über den Post-Bop-Sound hinausgehen, für den er weithin gefeiert wird. Das Septett besteht aus einer Reihe von Musiker*innen aus Berlin und Köln, darunter der Tenorsaxofonist Philipp Gropper, der in New York lebende Keyboarder Elias Stemeseder und die Vibrafonistin Evi Filippou. Sie unterstützen den Bandleader dabei, der von einem komplexen elektroakustischen Timbre und rasanten Stop-Start-Grooves geprägten Musik eine futuristische Note zu verleihen. Die eigenwillige Ästhetik der Band folgt ihrer ganz eigenen Grammatik und bedient sich dabei eines unerhörten Vokabulars. Es ist die Klangsprache einer zukünftigen Gesellschaft.

Line-up

Percy PursgloveTrompete
Philipp GropperTenorsaxofon
Evi FilippouVibrafon, Marimba
Valentin GerhardusSampling, Elektronik
Elias StemesederKlavier, Cembalo, Synthesizer
Felix HenkelhausenKontrabass, Komposition
Philip DornbuschSchlagzeug, Perkussion


21:00

Vijay Iyer & Wadada Leo Smith: „Defiant Life“

(US)

Als Pianist Vijay Iyer von Trompeter Wadada Leo Smith vor zwei Jahrzehnten für das Golden Quartet angefragt wurde, nahm die Zusammenarbeit dieser beiden Musiker ihren Anfang. Iyer stieg zum Partner Smiths auf, als sie ihr seit mittlerweile einigen Jahren bestehendes Duo gründeten, das sich mit musikalischen Mitteln den drängenden gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit stellt. Ihr zweites Album „Defiant Life“ setzt sich mit der Conditio humana auseinander und erforscht sowohl das Leiden als auch die Widerstandsfähigkeit des Menschen. Dazu Iyer: „Diese Aufnahmesession wurde von unserer anhaltenden Trauer und Empörung über die Grausamkeiten des vergangenen Jahres bestimmt, aber auch von unserem Glauben an die menschlichen Möglichkeiten.“

Die leise brodelnde Intensität der Musik der beiden Ausnahmemusiker vereint düstere, bisweilen gar bedrohlich wirkende Harmonien mit melodiösen Einsätzen, die vor spiritueller Verletzlichkeit nur so strotzen. In einem Stück wie „Sumud“ etwa strahlt Smiths zurückhaltendes Spiel eine erschütternde Schönheit aus. Das vormalige Mitglied der einflussreichen Chicagoer Association for the Advancement of Creative Musicians (AACM) ist ein Komponist, der sich sein eigenes musikalisches Universum geschaffen hat. Er befindet sich gerade auf seiner letzten Europatournee und erweitert in deren Rahmen auch dieses berauschende Projekt mit Iyer, seinerseits einer der tiefgründigsten und flexibelsten Musiker*innen des 21. Jahrhunderts.

Im Rahmen seiner Europatournee wird WadadaLeo Smith am 8. November 2025 mit einem neuen Trio auch im Pierre Boulez Saal auftreten.

Line-up

Vijay IyerKlavier, E-Piano, Elektronik
Wadada Leo SmithTrompete