Konzert

Sakina Abdou Solo // The Handover

Porträt-Collage mit The Handover und Sakina Abdou

The Handover, Sakina Abdou © Kafrawy, Majid Behkarpisheh

Eröffnet wird dieser Konzertnachmittag mit einem Programm der französischen Saxofonistin Sakina Abdou, deren Musik sich fließend zwischen den Polen von Cool und Free Jazz bewegt. Anschließend präsentiert das Trio The Handover, bestehend aus Keyboarder Jonas Cambien, Oudist Aly Eissa und Violinist Ayman Asfour, eine von druckvoller Improvisation getriebene Fusion von klassischer ägyptischer Musik und dem populären Straßensound Shaabi.

15:00

Sakina Abdou Solo: „Goodbye Ground“

(FR)

Deutschlandpremiere

Die neugierigsten und vielseitigsten Musiker*innen haben es manchmal schwerer, auf sich aufmerksam zu machen, weil sie kaum auf diesen oder jenen Sound festzulegen sind. Die französische Saxofonistin Sakina Abdou, die beim Jazzfest Berlin 2023 als Mitglied von Eve Rissers Red Desert Orchestra einen denkwürdigen Auftritt hinlegte, ist so eine Musikerin. Wie ihr Spiel mit Risser verdeutlichte, ist sie eine Post-Bop-Meisterin mit lyrischer Anmut und rhythmischer Wildheit. Doch brilliert sie auch in vielen anderen Bereichen, darunter in der kammermusikalischen freien Improvisation mit der Pianistin Marta Warelis und dem Schlagzeuger Toma Gouband sowie bei der Interpretation der Musik des US-amerikanischen Experimentalisten Michael Pisaro-Liu als Mitglied des hervorragenden Lyoner Ensembles für neue Musik Muzzix.

Abdou hat im selben Zuge eine fesselnde Solopraxis für Alt- und Tenorsaxofon entwickelt. Wie auf dem herausragenden Album „Goodbye Ground“ aus dem Jahr 2022 zu hören ist, überwindet sie alle Grenzen zwischen einer agilen, post-coolen Altsaxofon-Melodik, die an die Schule von Lennie Tristano anknüpft, und einem harmonisch wilden Tenorsaxofon-Spiel, mit dessen dichtem, alles einhüllenden Getöse sie das Publikum vernebelt. Die Solo-Performance ist ein wesentlicher Bestandteil von Abdous künstlerischer Praxis. Darin zeigt sich die eigenwillige, überzeugende Konzentration ihrer umfassenden Interessen als Musikerin.

Line-up

Sakina AbdouTenor- und Altsaxofon


15:20

The Handover

(BE/NO, EG)

Jazz unterscheidet sich auf vielerlei Arten von anderen Musikstilen, ob nun durch seinen rhythmischen Charakter oder sein komplexes harmonisches Gerüst. Sein wesentliches Merkmal jedoch ist eine Praxis, die in jedem kulturellen Kontext zu finden ist: die Improvisation. Sie stellt eines der zentralen verbindenden Elemente zwischen dem in Oslo lebenden belgischen Jazz-Pianisten und Keyboarder Jonas Cambien sowie dem Violinisten Ayman Asfour und dem Oudisten Aly Eissa dar. Die zwei in klassischer arabischer Musik ausgebildeten ägyptischen Ausnahmekünstler gehen in ihrer Arbeit weit über regionale Traditionen hinaus. Asfour hat eng mit dem in Berlin ansässigen Multiinstrumentalisten und musikalischen Tausendsassa Maurice Louca zusammengearbeitet und kollaborierte zuletzt in einem traditionelleren Kontext mit Sänger Natik Awayez. Eissa hat sich als ebenso vielseitiger wie -schichtiger Komponist bewiesen, dessen bemerkenswertes Fusion-Album „Gouda Bar“ aus dem Jahr 2023 dem Publikum einen Einblick in die Tiefen seiner Schöpfungskraft gewährte. Während seiner regelmäßigen Besuche in Kairo lernte Cambien die beiden kennen und gründete mit ihnen The Handover.

Im Zentrum der Auftritte des Trios steht eine Komposition von Eissa, die ebenfalls den Namen „The Handover“ trägt. In dem zweiteiligen Stück kollidiert die maßvolle Eleganz der klassischen arabischen Musik mit dem tanzbaren, populären Musikstil namens Shaabi, ein aus den Straßen-Soundscapes von Ägyptens Großstädten nicht wegzudenkendes Genre. Mit seinen kunstvollen Darbietungen, die von Abend zu Abend unterschiedlich sind, unterläuft das Trio wieder und wieder die etablierten Formen beider Traditionen. Dass die drei dabei ohne Percussion auskommen, fällt nicht ins Gewicht: Die fordernden Violinenklänge, die einschneidenden Oudmelodien und Cambiens Arbeit an der Ace-Tone-Orgel und dem mikrotonalen Synthesizer erzeugen im Miteinander mehr als ausreichend Bewegung. So zelebrieren The Handover Traditionen, während sie sie im selben Zuge neu erfinden.

Line-up

Aly EissaOud
Ayman AsfourVioline
Jonas CambienKeyboards