Szenische Lesung | Stückemarkt
von Claudia Grehn
Mit Texten von Lena Müller
Claudia Grehn © Ping Qiu
„seit zehn jahren kommt mama hier auf diesen hof arbeiten und – was für ein glück – hier darf sie sogar die kinder mitnehmen – solange die sich benehmen – seitdem schleppt sie uns mit in den ferien und zwingt mich an meinem geburtstag den kuchen zu essen den mutter bauer extra für mich gemacht hat und in unseren container schleppt weil sie keine polen im haus haben will außer zum putzen und dann kommt sie mit ihrem alten geschirr an weil sie nicht von unserem dreckigen essen will vielen dank wie lustig dass der hund mit drin ist und mir den kuchen vom teller leckt haha (…) ja lustig solange mama keine typen anschleppt oder schwanger wird und nicht mehr her kommt wo der arme karl hier doch sonst keine frau in aussicht hat außer seiner mutter und die (…) passt aber verdammt auf dass sich keine ostschlampe ihren sohn und sein haus schnappt“
Alle sind nurmehr ihr Schicksal. Entwürfe greifen nicht mehr. Wünsche müssen über die dürren Zeiten der Einsamkeit und die langen Nächte hinweghelfen. Selbst wenn eine Person sich zufriedengeben will, lässt sich nichts machen. Die entfremdeten Leben sind durch die Arbeitsmigration einmal mehr in sich ohne Mittelpunkt. Claudia Grehn schildert den verbissenen Kampf der beheimateten Figuren gegen den Abstieg. Wie die Absteigenden die Fremden im Aufsteigen behindern. Wie die kleinen Sprachfetzen der Beheimateten und der Fremden nie reichen, dem Innenleben eine Beschreibung zu geben. Wie Verletzungen nicht gesprochen werden können und nur die Schmerzen bleiben. Wie keine Sprache die Abschiede beschreiben kann und deshalb dann alle wegbleiben müssen. Es ist eine realistische Verzweiflung, die in diesem Text ausgebreitet wird. Eine Verzweiflung, die vom Theater verlangt, die Schmerzen in Personen zu kleiden und in der Bühne der unsprechbaren Sehnsucht nach irgendeinem Sinn in der Welt einen Raum zu schaffen.
Marlene Streeruwitz
Claudia Grehn, 1982 in Wiesbaden geboren, studierte Russisch und Philosophie in Hamburg und Berlin. 2005 nahm sie ein Studium im Fach Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin auf. Für das Maxim Gorki Theater Berlin übersetzte sie 2007 gemeinsam mit Armin Petras das Stück „Gehen wir, der Wagen wartet“ des russischen Autors Juri Klavdiev. 2008 schrieb sie eine Dramatisierung des Romans „Stadt der Blinden“ von José Saramago, inszeniert von Moritz Schönecker zur Wiedereröffnung der Reaktorhalle des Prinzregententheaters (Bayrische Theaterakademie). 2007 wurde sie für „Heimlich bestialisch – I can’t wait to love in heaven“ mit dem Kleist-Förderpreis für junge Dramatik ausgezeichnet, das Stück wurde 2008 am Landestheater Tübingen uraufgeführt.
Szenische Einrichtung Lisa Nielebock
Dramaturgie Anna Haas
Ausstattung Manuela Pirozzi
Es lesen Barbara Heynen, Ole Lagerpusch, Wolfgang Michael, Max Simonischek, Miriam Smejkal, Heiner Stadelmann und Almut Zilcher