Szenische Lesung | Stückemarkt

Der (vor)letzte Panda oder Die Statik / (Pret)posljednja panda ili statika

von Dino Pešut (Kroatien)
Aus dem Kroatischen von Alida Bremer

Szenische Lesung
Stückemarkt IV

© Uros Pajovic

© Uros Pajovic

Di 17. Mai 2016, 19:30, Haus der Berliner Festspiele, Camp
Autor*innen-Gespräch mit Dino Pešut, Pat To Yan und Kathrin Röggla

Mo 16. Mai 2016, 13:00, Haus der Berliner Festspiele, Camp
(In)Scripting Time
Workshop mit Dino Pešut

Ana, Luka, Marin und Marija wurden 1990 in Kroatien geboren. Das Stück folgt den Figuren über knapp dreißig Jahre und erzählt davon, wie sie sich in unterschiedlichen ökonomischen, emotionalen und politischen Kontexten verhalten und entwickeln. Der Text bringt polyphone Stimmen zusammen – Erinnerungen an die Kindheit im Krieg gehen in Visionen zukünftiger Lebenskonflikte über. Dabei entsteht fast beiläufig eine präzise Typologie einer jungen Generation zwischen zwei Welten.

Jurystatement

1990 in Kroatien geboren zu sein verbindet. Aber was ist es genau, das daran vereint und was bleibt davon? Die Erinnerungen an eine Kindheit im Krieg, an Hilfspakete mit Spielsachen von anderen Kindern, an das Aufwachsen in einer (Post-)Sozialistischen Gesellschaft, an arbeitslose Eltern, an den Wunsch, einmal in Kopenhagen zu leben? Dino Pešuts Stück folgt dem Erwachsenwerden von vier Figuren im Übergang vom Sozialismus zum Kapitalismus über knapp dreißig Jahre. Ana, Luka, Marin und Marija befinden sich im Laufe der Jahre in zunehmend unterschiedlichen ökonomischen, emotionalen und politischen Kontexten. Während Marin erfolgreich in der Mittelschicht ankommt und sich ein respektables Leben in der kroatischen Heimat aufbaut, regrediert Marija dort als dreifache Mutter in immer konservativeren Ansichten. Ana und Luka verbindet der radikale Bruch mit dem alten Leben. Beide versuchen, im Ausland ihre Identitäten neu zu definieren und Karrieren abseits des bürgerlichen Lebens aufzubauen. Die gemeinsamen Erinnerungen der Figuren gehen fast unbemerkt über in Visionen zukünftiger Dilemmata – auch wenn diese sich mit sehr unterschiedlichen Fragestellungen verbinden. In Berlin leben oder in Paris? Wie klarkommen mit einer Vergangenheit voller Gewalt? Wie die eigene Sexualität ausleben? Wie die jahrelange Depression überwinden? Wie und wohin zurückkehren, wenn es das Zurück nicht mehr gibt? Beim Erzählen, Erinnern und Entwerfen verschieben sich die Zeitebenen ineinander, so als wären sie nie getrennt gewesen. Die Perspektiven der vier Figuren sind zeitlich unhierarchisch und erzählen aus einer Art zeitlichkeits-distanter Position. Dadurch fließen ihre Stimmen zu einer polyphonen Erzählung zusammen. Dieses besondere Verhältnis zur Zeit fordert automatisch eine besonderen Art des Sprechens und des Zuhörens. Die Zuschauer*innen müssen eigene Sinnzusammenhänge herstellen und sich ihre Perspektive selbst suchen. Wir folgen nicht dem kollektiven hoffnungslosen Bericht einer traumatisierten Kriegsgeneration. Sondern wir erleben ein vielstimmiges vitales Ringen darum, sich aus einer statischen Situation zu befreien. Ein Ringen um die eigene Geschichte als Sinnstiftung, das – wie im echten Leben – gleichermaßen zum Scheitern und Gelingen führt. Und so entsteht aus dem Bericht vieler Stimmen ganz beiläufig die Typologie einer jungen Generation. Eine Generation zwischen zwei Welten, die ihren ursprünglichen Raum verloren hat und um einen neuen stetig kämpfen muss – mit ungewissem Ausgang. Aber die Hoffnung auf eine bessere Welt bleibt.

Christina Zintl

Einrichtung Friederike Heller
Dramaturgie Sonja Anders
Ausstattung Maria Ebbinghaus

Besetzung
Marija Lisa Hrdina
Ana Luise Aschenbrenner
Marin Tilman Strauß
Luka Christoph Gawenda