Inszenierung / 3sat-Aufzeichnung | 10er Auswahl

Automatenbüfett

von Anna Gmeyner

Burgtheater (Wien)

Premiere 30. Oktober 2020

Videotrailer © Burgtheater

Barbara Frey und dem Ensemble des Burgtheaters gelingt ein wunderbar tragikomischer Theaterabend, der die selten gespielte Autorin Anna Gmeyner wieder ins Licht der Aufmerksamkeit rückt.

Nachgespräch und Künstler*innen-Ehrung
am 16. Mai 2021 um 22:05 Uhr

Der Provinzbürger Adam bewahrt die schöne Unbekannte Eva vor dem Freitod durch Ertrinken und bringt sie mit in das „Automatenbüfett“, die Gastwirtschaft seiner resoluten Ehefrau. Evas Ankunft ist für die männerlastige Gemeinschaft eine Attraktion, die der durchtriebene Adam für seine Pläne zu nutzen weiß. Anna Gmeyners Figuren kämpfen verzweifelt um Verbindlichkeit und offenbaren sukzessive doch nur wieder die eigene Schlechtigkeit. Der von Martin Zehetgruber entworfene titelgebende Automat bildet den drohenden Hintergrund, vor dem sich das herausragende Ensemble auf mal peinlichst-komische, mal herzzerreißend traurige Weise begegnet. Regisseurin Barbara Frey beweist einmal mehr ihr Talent für unaufgeregte, präzise Spannung – und einen klugen, zeitgemäßen Blick auf Geschlechterabhängigkeiten.

Theatertreffen-Jurorin Petra Paterno zur Inszenierung
„Automatenbüfett“ ist eine Wiederentdeckung. Die Autorin Anna Gmeyner, geboren 1902 in Wien, war zeitlebens eine literarische Außenseiterin. „Automatenbüfett“ hätte bereits in den 1930er-Jahren das Zeug dazu gehabt, Gmeyner den Durchbruch als Dramatikerin zu ermöglichen; als linke Bühnendichterin jüdischer Herkunft waren ihre Texte in Nazi-Deutschland verboten; Gmeyner gelang die Flucht ins britische Exil, nach Österreich kehrte sie nie mehr zurück.

Gern wird die Autorin mit Ödön von Horváth verglichen, häufig allerdings zu ihren Ungunsten. Dabei sind gerade Gmeyners Frauenfiguren – im Unterschied zu Horváths verlorenen Fräuleins – zähe Kämpferinnennaturen, die sich nehmen, was man ihnen nicht freiwillig geben will. „Automatenbüfett“ beginnt damit, dass eine junge Frau namens Eva (Katharina Lorenz) von einem gewissen Herrn Adam (Michael Maertens) bei ihrem Selbstmordversuch gerettet wird. Eva sieht sich fortan verpflichtet, Adam bei seinem wunderlichen Herzensprojekt – dem Aufbau einer Karpfenzucht – zu unterstützen. Nicht gerade der Auftakt für ein emanzipatorisches Stück im gegenwärtigen Sinne; das Adam-Eva-Verhältnis wird im Laufe der Handlung allerdings kippen.

Der Regisseurin Barbara Frey ist im Wiener Akademietheater eine so unaufgeregte wie leichthändige „Automatenbüfett“-Inszenierung geglückt, ohne die genretypischen Opferrollen des kleinbürgerlichen Panoptikums zu bedienen. Das Bühnenbild sticht heraus: Martin Zehetgruber hat buchstäblich einen überdimensionierten Automaten ins Theater gewuchtet, der nach Münzeinwurf rund um die Uhr Würstel und Bier ausspuckt; der Bühnenmusiker Tommy Hojsa spielt ebenfalls nur gegen Bares.

Frey hat ihr Ensemble auf ein artifizielles Bewegungsrepertoire eingeschworen; alles passiert absichtsvoll langsam, nicht die große Geste, sondern der Blick fürs Detail zählt. Die Regisseurin widersetzt sich simplem Naturalismus; die Verhältnisse werden auf der Bühne in ihrer ganzen Unbarmherzigkeit beschrieben und überzeugend durch eine geschlossene und hervorragende Ensembleleistung herbeigezaubert. „Automatenbüfett“ ist subtil und grobgewirkt, tieftraurig und zum Brüllen komisch. Eine ganze Welt auf einer Bühne.

Künstlerisches Team

Barbara FreyRegie
Martin ZehetgruberBühne
Stephanie WagnerMitarbeit Bühne
Esther GeremusKostüme
Tommy Hojsa, Barbara FreyMusik
Friedrich RomLicht
Andreas KarlaganisDramaturgie

Mit
Michael MaertensAdam
Maria HappelFrau Adam
Katharina LorenzEva
Christoph LuserPankraz / Willibald Boxer
Dörte LyssewskiPuttgam
Annamária LángCäcilie / Redakteur Arendt
Robert ReinaglSchulrat Wittibtöter
Hans Dieter KnebelApotheker Hüslein
Daniel JeschOberförster Wutlitz
Daniel Jesch / Hans Dieter Knebel / Annamária Láng / Robert ReinaglDie Frauen der Mitglieder des A.F.V.
Tommy HojsaPiano