Inszenierung | 10 bemerkenswerte Inszenierungen

Nora

Ein Thriller von Sivan Ben Yishai, Henrik Ibsen, Gerhild Steinbuch und Ivna Žic
Deutsche Übersetzung Tobias Herzberg und Hinrich Schmidt-Henkel

Münchner Kammerspiele

Premiere 7. Oktober 2022

Eine Frau mit langen Haaren liegt mit verdrehten Gliedmaßen in einem Bühnenbild mit mehreren regalartigen Elementen.

Nora © Armin Smailovic

Felicitas Brucker und ihr Team bringen die Geschichte von Nora, die aus ihrem Ehe- und Lebensgefängnis ausbricht, als multiperspektivischen, mitreißenden Theaterthriller auf die Bühne, platziert auf einem Haus, das immer mehr zum Horror wird.

Triggerinformation

Stroboskopeffekt

Publikumsgespräch
Samstag, 20.5. im Anschluss an die Vorstellung und bis 31.12.2023 als Videoon Demand in der Mediathek
Moderation: Antigone Akgün / Zofia nierodzińska, teilnehmendes Jurymitglied: Sabine Leucht

Nora Helmer ist für Heim und Kinder zuständig, während ihr emotional unzugänglicher Mann Torvald als Rechtsanwalt und baldiger Bankdirektor das Geld verdient. Sie steht kurz vor der Lösung einer belastenden Situation: Um einen Klinikaufenthalt ihres Mannes zu finanzieren, hat sie vor Jahren ohne dessen Wissen ein Darlehen aufgenommen, für das nun die letzte Rate fällig ist. Doch plötzlich gerät Nora in Bedrängnis und muss ihre Beziehung und ihr Leben überdenken.
Ibsens Stück über eine Frau, die aus ihrem patriarchalen Gefängnis ausbricht, weist mehrere Schlüsse auf, die sich alle um Bleiben und Gehen drehen. Für Felicitas Bruckers vielschichtige, kontrastreiche und souverän mit den Mitteln des Theaters spielende Inszenierung haben die Dramatikerinnen Sivan Ben Yishai, Ivna Žic und Gerhild Steinbuch neue Texte geschrieben, in denen unter anderem die Hausangestellten und Noras Kinder zu Wort kommen und die letzte Szene zeitgenössisch überarbeitet wird. Themen wie hierarchische Strukturen, verfestigte Rollenmuster und unausgesprochene innere Konflikte erhalten so mehr Raum als in Ibsens 1879 veröffentlichtem Stück und werden von den Schauspieler*innen der Münchner Kammerspiele kraftvoll und präzise in einem beeindruckenden, sich durch den Einsatz von Video ständig wandelnden Bühnenbild in Szene gesetzt.

Statement der Jury
Was für ein Mensch wäre das, dessen Geschichte nur vom Aufgeben erzählt?“, fragt Katharina Bach – und kämpft immer weiter. Sie spielt die Bankdirektorengattin Nora Helmer als lodernde Gefühlsathletin und harpyenhafte Gothic-Queen mit ABBAs tiefergelegtem „S.O.S.“ auf den Lippen. Mit allen Mitteln sucht ihre Nora Auswege aus dem Korsett, das ihr als (Ehe-)Frau, Mutter und Inventar eines Hauses angelegt ist, das hier die zweite Hauptrolle spielt. Bühnenbildnerin Viva Schudt lässt es kopf- beziehungsweise dachunter stehen und zwingt das Ensemble zum Klettern, Strampeln, Straucheln. Statt Ibsens Text flächig zu überschreiben, haben die Autorinnen Sivan Ben Yishai, Ivna Žic und Gerhild Steinbuch ihn punktuell ergänzt, wobei über Ben Yishais Prolog gewitzt die Klassenfrage ins Stück hineindiffundiert. Felicitas Brucker ist ein Abend gelungen, der auf vielen Ebenen vom wirtschaftlichen und sozialen Überlebenskampf erzählt. Ein akustisch und visuell elektrisierender Trip, eine virtuose Gesellschafts-, Haus-und Seelenumstülpung.

ZumVideostatement von Jurorin Sabine Leucht in der Berliner Festspiele Mediathek

Programmheft (PDF, 0,5 MB)

Künstlerisches Team

Felicitas BruckerRegie
Viva SchudtBühne und Kostüme
Markus SteinkellnerMusik
Christian SchweigLichtdesign
Florian Seufert, Maurizio GuoloVideo
Tobias SchusterDramaturgie

Mit

Bernardo Arias Porras(anstelle von Thomas Schmauser), Katharina Bach, Svetlana Belesova, Vincent Redetzki, Edmund Telgenkämper

Aufführungsrechte:„Nora: Prolog“ von Sivan Ben Yishai
Deutsch von Tobias Herzberg
Suhrkamp Theater Verlag, Berlin

„Nora“ von Henrik Ibsen
Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel
Rowohlt Theater Verlag, Hamburg

„Noras Kinder“ von Ivna Žic
rua. Kooperative für Text und Regie, Berlin

Rechte für die Texte von Gerhild Steinbuch: Rowohlt Theater Verlag, Hamburg

Die Texte von Sivan Ben Yishai, Gerhild Steinbuch und Ivna Žic sind Auftragswerke der Münchner Kammerspiele.